Ich und Mein Testergebnis sind nach langem wieder da...

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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Lina
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Registriert: 01.04.2008, 10:16
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Ich und Mein Testergebnis sind nach langem wieder da...

Beitrag: # 20613Beitrag Lina »

Hallo ihr Lieben!

Vor einiger Zeit habe ich hier mal geschrieben und war bis jetzt immer noch als Leserin oft hier.

Inzwischen habe ich mich testen lassen und bin leider auch Genträger
mit 44 CAG.

Meine Gefühle, Gedanken, Stimmungen - seit Monaten nur noch CHAOS!!!
Als ich vor gut 3 Jahren anfing mich so richtig mit der Krankheit und dem - testen oder nicht - auseinandergesetzt habe, hat sich in meinem Leben so vieles verändert. ICH habe mich verändert! Ich hatte ganz seltsame Gedanken, bin immer depressiver geworden, klein und schwach. Unfähig richtig zu leben. Ich bin in eine Spirale geraten die immer kleiner und dunkler wurde.
Begleitet durch Angst, Traurigkeit und Hilfslosigkeit wurde alles immer noch schlimmer!!! Konnte nicht mehr schlafen, war unruhig, anteilnahmslos, manchmal wie erstarrt, nicht anwesend und nicht von dieser Welt... und irgendwann war alles so schlimm, daß ich nur noch sterben wollte. Mit letzter Kraft habe ich es irgendwie geschafft in Behandlung zu einem Psychotherapeuten und zu einem Psychiater zu gehen.
Ich bekam Medikamente und die Psychotherapie hat auch gut getan...
Aber leider konnte mir auch keiner wirklich sagen ob meine Zustände "nur" Depressionen sind oder ob das schon die ersten Anzeichen von CH sind oder ob alles vielleicht einfach nur durch die große Angst vor dem Ungewissen 50/50 Risiko entstanden ist...
Die meisten waren felsenfest überzeugt: " Sie haben das schon nicht..."
usw. tolle Hilfe! Ich hatte da schon das Gefühl, daß sich keiner wirklich auskennt oder mit der Materie CH richtig auseinander gesetzt hat. Da ich mich weiterhin übers Internet und vor allem regelmäßig hier in diesem Forum eingelesen hatte, habe ich mich immer mehr in Dingen wieder erkannt und mich mehr und mehr schon mal aufs Schlimmste eingestellt.
Die Illusion von der so viele Ärzte überzeugt sind, daß diese Krankheit erst im hohen Alter ausbricht etc. schwand je mehr ich hier las und je mehr Junge Leute ich hier schon mit CH oder über CH in jungen Jahren gelesen habe... Ich hatte Phasen, da wollte ich mich sofort testen lassen, dann wieder auf gar keinen Fall. Dann doch wieder weil ich dachte, schlimmer als diese zermürbende Ungewißheit und die absoluten psychischen Downs kanns ja sowieso nicht mehr werden und drum hab ich ja nichts mehr zu verlieren... etc, dann war ich wieder absolut davon überzeugt, daß ich mich nicht testen lassen kann, da ich mit einem positiven Ergebnis definitiv nicht umgehen kann...
Letztendlich ist viel schwankende Zeit vergangen. Ich hatte viele üble Gedanken, manchmal böse Worte. Als es immer wieder so schubweise Phasen gab wo es mir ganz schlecht ging und ich oft ungerecht zu meinem Mann war, habe ich mich dann für den Test entschieden. Denn einfach nur so, so zu sein, wäre für niemanden gerecht gewesen! ( Ich würde gerne hier noch mehr sagen, zu meiner psychischen Veränderung us., aber das kann ich hier in der Öffentlichkeit nicht! Manches ist recht kompliziert).
Ich ging mit meinem Mann in die Uniklinik Ulm, wir erzählten dort unsere Gedanken und ließen uns nochmal beraten. Mir wurde gesagt, da ich in psychologischer Behandlung bin und sie mich gut verstehen können, kann ich jederzeit anrufen und schnellstmöglich Termine ausmachen, auch zum Blut abnehmen. Die Leute waren dort sehr nett! So dauerte es auch nicht lange, wir waren noch 2 Mal zu Gesprächen dort und dann der nächste Termin an dem das Blut abgenommen wurde. Dann hieß es warten, nach 4 Wochen nochmal zu einem Gespräch dortgewesen und 2 Wochen später als man mir dann das Ergebnis mitteilte...
Bis dahin hatte ich wenigstens noch einen winzig kleinen Funken Hoffnung, aber als ich das Ergebnis erfuhr, war ich nicht einmal wirklich überrascht. Ich war relativ ruhig. Denn es war klar, daß dieser Kelch mal wieder nicht an mir vorbei zieht!
Ich habe schon einige schlimmen Dinge in meinem Leben erfahren müssen und bin leider immer wieder eine von denen auf der Liste recht weit oben, wenns drum geht das einem schlimmes widerfährt. Immer wenn ich gerade mal dachte mir gehts etwas besser, kam der nächste Schlag. Und wenn ich dachte, schlimmer kanns ja gar nicht mehr kommen, wurde ich schmerzlich daran erinnert, daß es tatsächlich noch schlimmer geht!!!
Oft frage ich mich womit ich das eigentlich verdient habe - was ich schlimmes angerichtet habe, daß es mir nie wirklich vergönnt war mal eine friedliche, fröhliche Weile ohne Kummer und Schatten zu verbringen? Soetwas wie wirklich Glücklich sein (und damit meine ich eine kleine Zeit mehr als nur mal einen Tag oder so,
also eine Weile anhaltendes Glück - so richtig spürbares Glück-) kenne ich leider nicht. Nur in Bezug darauf, daß ich das Glück habe schon so viele Jahre mein Leben mit meinem Mann teilen zu dürfen und daß wir uns über alles lieben, und 2 wunderbare Kinder haben. Wir hatten auch schon einige Höhen und Tiefen und haben uns immer wieder gemeinsam da raus gekämpft, was uns in den 17 Jahren sehr viel Kraft gegeben und uns immer noch mehr zusammen geschweißt hat!

Aber viele Dinge in unserem Leben haben uns leider sehr viel Kraft geraubt...
Die Wochen bis zum Ergebnis waren ziemlich heftig und erschienen auch ziemlich lang, aber als ich mit dem Ergebnis zu Hause war, bin ich fast 2 Wochen wie gelähmt gewesen - Irgendwie wie in Trance... Eigentlich dachte ich, ich würde wahrscheinlich erstmal nur noch weinen, aber so war es nicht. Erst nach 2 Wochen habe ichs realisiert und war total aufgewühlt und oft am weinen. Ich hatte Nervenzusammenbrüche und wollte mir nur noch das Leben nehmen. Wollte meinem Mann und meinen Kindern keine Last sein. Ich war Felsenfest davon überzeugt, daß sie ohne mich tausendmal besser dran sind und das es wohl einfacher für sie wäre, mit meinem Tod klar zu kommen, als all das was ab jetzt alles kommen kann! Ich kann und konnte mich nicht in der Rolle der Kranken sehen, so wie es z.B. meinem Vater geht... Oder wie hier so vieles Schlimme im Forum erzählt wird.

Danach ist alles nur noch aus mir rausgebrochen, Wut, Haß und selbstaufgabe. Kein Funke der mich am Leben erhält - selbst die Menschen die mir am allermeisten bedeuten und zugesprochen haben, haben mich im Prinzip nur noch mehr dazu gebracht aufzugeben. Denn so einfach ist das nunmal nicht mit : Wir schaffen das schon!
Jeder liebgemeinte Satz gab mir noch mehr Grund sterben zu wollen, weil ich niemandem mein "sein" zumuten will. Keine Vorstellung mehr zu was Gutem - nicht den Hauch von Hoffnung! Das ganze hat sich ziemlich schnell manifestiert, und so habe ich mich freiwillig erstmal einweisen lassen, um nicht gegen den nächstbesten Baum zu fahren. Ich habe dort in diesen 6 Wochen die ich dort war so viele liebe und nette Menschen kennen gelernt, wie in den ganzen letzten Jahren nicht . Jeder dort hat seine Lebensgeschichte und das macht aus gezeichneten Menschen oft einfühlsamere und verständnisvollere Menschen als manche aus dem eigenen Umfeld. Die, die zur Familie und Freunden gehören wollen einen immer nur beschwichtigen und wollen von den wahren Gedanken und Möglichkeiten der Zukunft gar nichts hören. Doch die meisten Leute dort konnten sich ziemlich gut in meine Situation und Ängste wegen meiner Kinder und meinem Mann hineinversetzen. Sie haben ganz anderst zugehört und mit mir gesprochen... Und doch standen ihre Leiden und Probleme für mich genauso im Vordergrund, darum war ich gedanklich oft abgelenkt.
Die Zeit dort hat mir unwahrscheinlich viel gegeben!!!
Ich hatte so viel Ablenkung, nette Gespräche und coole Therapien...
Wir haben oft so viel gelacht! Leider merke ich jetzt erst wieder wie sehr mir das fehlt!

unter den Wochen gings mir dort meistens recht gut, aber wenn ich an den Wochenenden nach Hause kam, bin ich in der ersten Stunde erstmal wieder in mein totales Gefühlschaos zurück gefallen, wollte keine Last sein. Als ich mit meinem Mann über das Gefühlschaos gesprochen habe und er mir sagte, daß er das total versteht und das dies doch in meiner Situation völlig normal ist, gings mir besser und ich konnte die kurze Zeit dann zu Hause genießen.
Nach über 5 Wochen vermißte mein Mann mich und ich Ihn so stark, daß es Zeit wurde bald wieder nach Hause zu gehen. Allerdings habe ich in der Zeit dort eine Reha beantragt, damit ich mit Depressionen etc...
richtig umzugehen lerne, und vorallem, daß ich dort vielleicht lerne wie ich in Zukunft besser mit dieser Diagnose klar komme.
Daß ich vielleicht wieder anfange ein bisschen mehr zu Leben...


Wie es mir in der Reha ging und was dann schlimmes kam schreibe ich Euch bald.


Ganz viele liebe Grüße,

Eure Lina


Udo
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Re: Ich und Mein Testergebnis sind nach langem wieder da...

Beitrag: # 20616Beitrag Udo »

Lina hat geschrieben:Hallo ihr Lieben!


.... Die Zeit dort hat mir unwahrscheinlich viel gegeben!!!
Ich hatte so viel Ablenkung, nette Gespräche und coole Therapien...
Wir haben oft so viel gelacht! Leider merke ich jetzt erst wieder wie sehr mir das fehlt!


Daß ich vielleicht wieder anfange ein bisschen mehr zu Leben...


Wie es mir in der Reha ging und was dann schlimmes kam schreibe ich Euch bald.


Ganz viele liebe Grüße,

Eure Lina
Hallo Lina!
ich habe mir ein bißchen aus Deiner Geschichte rausgepickt, wenn man das liest, liest sich das gut. Versuche dabei zu bleiben, und lebe Dein Leben. Hoffentlich war das Erlebniss in der Reha nicht zu schlimm.

Erst mal alles Gute, bis dann :wink:

Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
rio
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Beitrag: # 20617Beitrag rio »

Tja, an manchen Leuten geht kein Kelch vorbei und sie schreien immer hier, wenn es wieder was schlechtes zu verteilen gibt.

Warum das so ist, darum streiten sich die Philosophen gar trefflich. Fakt ist aber, es ist so. Man muß das dann wohl oder übel akzeptieren - oder aufgeben. Mir scheint aber, Du bist auf dem Weg des nicht aufgeben. Hoffentlich ist die Reha und das danach nicht gar zu schlimm!
kati
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Beitrag: # 20621Beitrag kati »

hallo lina

ich kann mich nur anschließen

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