Total hilflos - CH-Patient nimmt keine Hilfe an

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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kimmi0910
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Total hilflos - CH-Patient nimmt keine Hilfe an

Beitrag: # 22582Beitrag kimmi0910 »

Hallo zusammen, ich bin neu hier! Werde mal meine Geschichte erzählen, obwohl ich befürchte, dass mir sowieso keiner helfen kann.

Meine Mutter starb vor 4 Jahren an Krebs. Kurz vor ihrem Tod haben wir herausgefunden, dass mein Vater (jetzt: 64 Jahre) an CH leidet. (Es ist nicht ärztlich belegt, aber die Symptome und sein komisches Verhalten weisen darufhin und sein Vater, sein Onkel und auch sein Cousin sind auch daran gestorben).

Mein Vater lebt seit dem Tod meiner Mutter alleine in einem Einfamilienhaus, dass ist meine größte Sorge.

Er schläft sehr viel und zwischenzeitlich macht er auch die Nacht zum Tag und umgekehrt. Ich glaube er hat mittlerweile sein Zeitgefühl verloren. Seit ca. 6 Wochen öffnet er im ganzen Haus die Rollläden nicht mehr . Er sitzt also auch am hellichten Tag im dunklen Haus. Wenn ich ihn am Spätnachmittag besuchen will kann es sein dass er schon wieder oder immer noch schläft.

Teilweise lässt er mich rein, teilweise macht er nicht auf. Auch ein großes Problem ist, dass er keine Hilfe annimmt. Im Gegenteil, sobald man Hilfe anbietet wird er aggresiv und unverschämt. Sein Schlafzimmer und sein Bad darf man nicht betreten.

Er geht seit zwei Jahren nicht mehr zum Friseur und rasiert sich nicht mehr, obwohl er immer ein eitler und gepflegter Mann war.

Er geht zu keinem Arzt obwohl ich sehe, dass es ihm mit der Krankheit sehr schlecht geht. Auf Nachfrage reagiert er immer aggresiv und sagt es gehe ihm gut. Ich denke er weiß, dass etwas mit ihm nicht stimmt und ich vermute, dass er deshalb die Ärzte meidet, aber er weiss nicht dass er CH hat.

Kurz und gut: Ich fühle mich hilflos, weil ich eigentlich Mitleid mit ihm habe und eine gewisse Verantwortung spüre, er aber keine Hilfe will. Mein Verhältnis zu meinem Vater war nie sehr gut und dass tritt jetzt noch mehr zu Tage.

Seine Schwester hat auch schon versucht ihn zu überreden Hilfe anzunehmen aber die Reaktion war die gleiche wie bei mir.

Ich weiss nicht mehr was ich tun soll. Ich habe mir schon überlegt mit einem Rechtsanwalt darüber zu sprechen ob es rechtliche Möglichkeiten gibt ihn einem Arzt vorzustellen.

Es gibt nur Foren für Angehörige die im selben Haus wohnen, aber es gibt keine Unterstützung (ich habe noch keine gefunden) bei CH-Patienten die alleine leben.

Vielleicht macht ja jemand gerade eine ähnliche Erfahrung.


sissi
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Beitrag: # 22583Beitrag sissi »

Hallo kimmi,
wenn du meinst dein Vater kommt momentan nicht alleine zurecht, kannst du dich an den psychosozialen Notdienst wenden. Die wissen Rat.

Ansonsten würde ich versuchen, erst mal mit seinem Hausarzt in Kontakt zu treten.
Einen Rat kannst du dir auch über die Deutsche Huntingtonhilfe holen.

Wie du schreibst, müßte er schon mal bei einem Neurologen , oder in einem Huntingtonzentrum behandelt werden.

Viel Kraft schickt dir sissi
kimmi0910
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Beitrag: # 22584Beitrag kimmi0910 »

Danke Sissi für deine Nachricht.
Leider hat mein Vater keinen Hausarzt. Nur einen Zahnarzt und einen Augenarzt. Zu denen geht er recht regelmäßig. Ich weiß nicht warum die seinen Zustand noch nicht bemerkt haben.

Ich weiß auch nicht wie ich den Psychosozialen Notdienst und meinen Vater zusammenbringen soll. Ich kann ihn ja nicht einfach einpacken und dorthin schleifen.

Ich glaube schon, dass er im Moment noch alleine zurecht kommt (z. B. die Mülltonne stellt er alle zwei Wochen exakt an dem Termin raus. Er fährt 30 km mit dem Auto um seinen Lieblings-Kaffee zu kaufen.) ABer er könnte es leichter haben.

Auch ist sein Verhalten recht widersprüchlich, einerseits sieht er mittlerweile aus wie ein Penner (Haare verfilzt und mit dem Rasieren klappt es auch nicht mehr), andererseits duscht er sich und kauft sich noch neue Anziehsachen.

Ohne Medikamente und regemässiges Essen jedoch mit Zigaretten, Kaffee und Bier wird seine Überlebenchance noch mehr sinken. Mir wäre halt wohler, wenn ich wüsste er wäre in Behandlung.

Grüße Kimmi
Udo
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Beitrag: # 22586Beitrag Udo »

Hallo kimmi0910

ich habe mir eben ein paar Gedanken gemacht über Deinen Vater. So verrückt es klingt, aber wenn er noch Auto fahren kann, die nötigsten Versorgungen selbst erledigt, und so halbwegs zurecht kommt, hat man kein Recht, ihn irgendwie zwangsweise zu behandeln noch sonstwas zu machen. Auch wenn er, wie Du schreibst, etwas wüst aussieht.
Dieses Recht auf sein eigenständiges leben , auch wenn es wohl , aus der Krankheit heraus, ziemlich ungewöhnlich ist, steht ihm auch zu, solange er nicht sich selbst oder andere gefährdet. Wenn es einen psychosozialen Dienst bei Dir gibt, würde ich trotzdem mit ihnen Kontakt aufnehmen und die Lage schildern. Du musst ja nicht Deinen Vater dort hinbringen, sondern sie können ihm auch eine Einladung schicken zu einem Gespräch, oder einen Termin mit ihm ausmachen, und auch selbst zu ihm hingehen. Und dann mal weitersehen, was passiert.

Ich glaube, Du machst Dir viel berechtigte und verständliche Sorgen, aber versuche, Deinem Vater seine Freiheiten zu lassen, solange er sie sich nehmen kann, aber habe auch ein aufmerksames Auge, und arbeite mit dem Sozialem Dienst zusammen. Ich denke, das es auch letztendlich für ihn besser wäre, sich in Ärztliche Behandlung zu begeben, und eine bessere Versorgung zu haben bezüglich essen und Pflege, weswegen er ja nicht seine Freiheiten verlieren muss. Dies sollte man ihm vielleicht erklären. Der soziale Dienst kann auch notfalls einen Arzt einschalten, wenn es so aussieht, das Dein Vater verwahrlost in der Wohnung.
Ev. muss man einen sanften, aber auch bestimmten Druck ausüben.

"Wenn Du nicht selbst zum Arzt gehst, muss ich einen holen."
So ungefähr.
Wenn er agressiv wird, nicht mit Gegenaggression reagieren. Sondern ruhig, kurz und klar zu überzeugen versuchen, das es so nicht weitergeht, und ihm nichts passiert, wenn er etwas Hilfe bekommt.

Immer daran denken, wie immer auch Dein Vater reagiert, er ist ein Mensch, auch wenn er krank ist, und dadurch oft unverständlich wirkt.
Er ist nicht verrückt geworden . CH ist eine ganz schwer verständliche Krankheit. Aber manchmal auch ganz einfach, wenn man den Menschen dahinter sieht.

Ich drück Dir die Daumen :wink:

Und wenn Du Fragen hast, frag einfach

Gruß, Udo
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kimmi0910
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Beitrag: # 22589Beitrag kimmi0910 »

Hallo Udo,
vielen Dank für deine Nachricht und die Gedanken, die du dir über meinen Vater gemacht hast.

Ich denke, dass ich es mittlerweile auch so sehe wie du. Ich habe trotz seines Aussehens und seines Verhaltens noch ziemlichen Respekt vor ihm. Also, ich würde nicht einfach in sein Schlafzimmer gehen, wenn er dass nicht will. Auch er hat seine Privatsphäre. Ich stelle mir halt vor, wie ich reagieren würde wenn irgend jemand und sei es auch Verwandtschaft einfach in mein Schlafzimmer eindringen würde.

Die Sache mit dem sozialen Dienst wird auch etwas schwierig werden, denn er wird es nicht verstehen und glauben, dass ihm tatsächlich seine Freiheit genommen wird und die ist ihm das wichtigste überhaupt.
Außerdem reagiert er auf alles was mit dem Wort Sozial zu tun hat wie Sozialamt, Sozialdienst, Sozialhilfe sehr allergisch, denn er war schon immer ein sehr stolzer Mensch und hat so etwas nie gebraucht und gewollt.

Auch denke ich, dass er ein bisschen an Verfolgungswahn leidet, denn als ich als meine Mutter starb 1/4 des Hauses geerbt habe, hat er noch im Amtsgericht gefragt, ob ich ihn jetzt aus dem Haus werfen könnte. Wobei ich dass ja nie im Leben tun würde. Und so vertraut er am besten niemandem mehr.

Also alle Dinge die er früher auch gemacht hat, wie Auto fahren, Spülmaschine ein- und ausräumen usw., das klappt nach wie vor. Er geht 1 x am Tag zum Essen in immer das gleiche Restaurant. Am Samstag ist er bisher auf den Markt gegangen und hat Brot und Käse wie für eine 5-köpfige Familie eingekauft und es dann im laufe der Woche wieder weggeschmissen. Da musste er auch planmässig aufstehen, dass er bis 12.30 h noch hinkommt, aber jetzt geht er nicht mehr.

Ich weiss, dass er viel zu wenig isst und er hat erschrecken viel abgenommen. Aber das ist auch etwas was ich ohne seine Zustimmung nicht ändern kann.

Für heute habe ich dich wieder lange genug zugemüllt. Danke fürs Lesen und vielleicht bis bald.

Gute Nacht - Kimmi
Udo
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Beitrag: # 22590Beitrag Udo »

kimmi0910 hat geschrieben:
Für heute habe ich dich wieder lange genug zugemüllt.
Gute Nacht - Kimmi

Zugemüllt?? Nö, hast Du nicht. Das wird wohl eine Weile noch alles so gutgehen mit Deinem Vater , aber irgendwann wird Dein Vater auch Unterstützung bekommen müssen. Es könnte ja auch was passieren beim Autofahren.

Das mit dem sozialen Dienst , da sollen die sich auch mal etwas einfallen lassen. Muss ja nicht direkt nächste Woche sein, aber das sie informiert sind, wäre vielleicht schon mal ganz gut.

Ich melde mich noch mal dazu, muss unbedingt eine 1/2 Stunde Mittagsschlaf halten.

Bis dann :wink:

Udo
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Udo
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Beitrag: # 22593Beitrag Udo »

Da bin ich wieder. Ich wollte auch noch sagen, das die Situation mit Deinem Vater bestimmt schwer für Dich ist. Es ist gewiss nicht leicht , mit anzusehen, wie der eigene Vater, der früher ganz anders war, sich langsam verändert und man oft gar nicht weiß, was denn mit ihm los ist, und was mit ihm passiert. Es ist aber auch so, das die Ch in dem Alter Deines Vaters oft recht milde verläuft.

Ich denke, Du solltest auch auf Dich achten und mit Menschen reden und Dir Menschen suchen, die Dich stützen und auch helfen können.

Grüß Dich, und trotz allem ein möglichst schönes Wochenende Bild

Udo
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kimmi0910
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Beitrag: # 22595Beitrag kimmi0910 »

Menschen die mich stützen und helfen, ha. Ich wohne neben einer Schwester meines Vaters, also meiner Tante. Wir wohnen im gleichen Ort wie mein Vater. Meine Tante kennt die Situation mit ihm denn mein Opa, also deren Vater hatte auch CH und für die war das damals auch nicht so toll.

Sie ignoriert ihn und meint er hätte ja eine Tochter die sich um ihn kümmern kann. Wobei mein Vater ganz große Stücke von ihr hält.
Ich weiß nur nicht, ob er das wirklich so meint, (sie war schon bestimmt 1 1/2 Jahre nicht mehr da) oder mich nur verletzen will.
Das kann man bei ihm so schlecht unterscheiden.

Deshalb hat sich mein Verhältnis zu ihr mit den Jahre auch verschlechtert, weil ich das nicht verstehen kann. Sie ist doch seit Jahre in Rente und hätte doch Zeit mal vorbeizugehen.

Heute ist Samstag und ich habe mir fest vorgenommen ich gehe heute wieder zu meinem Vater. Da die Rollläden ja dauernd geschlossen sind, weiß ich nicht wann er wach ist und wann nicht.

Sollte ich ihn mit meinem klingeln wecken, dann kann ich wohl wieder was erleben. Denn wenn er gerade aufgewacht ist ist er total neben der Spur und nicht gerade freundlich zu mir.

Wir werden sehen, ich werde dann berichten. Grüße kimmi
kimmi0910
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Beitrag: # 22596Beitrag kimmi0910 »

Ach Udo, ich habe noch vergessen dich zu fragen was du meinst mit mildem Verlauf? Was ist ein milder Verlauf und was ist das Gegenteil?
Danke
Kimmi
Udo
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Beitrag: # 22597Beitrag Udo »

kimmi0910 hat geschrieben:Ach Udo, ich habe noch vergessen dich zu fragen was du meinst mit mildem Verlauf? Was ist ein milder Verlauf und was ist das Gegenteil?
Danke
Kimmi
Nunja, es gibt einen Krankheitsverlauf der CH, wo die Symptome und Auswirkungen der Ch recht früh und schnell auftreten, und sich stärker bemerkbar machen. Und es gibt eben Formen, wo die Ch relativ spät auftritt in einer abgeschwächten Form. Siehe auch hier: http://www.onmeda.de/krankheiten/chorea ... 576-9.html Was in dem gesamten Bericht steht, muss aber nicht auf jeden CH-Betroffenen zutreffen. Hört sich immer alles so klinisch nüchtern an, was da steht.

Lies auch mal im Huntingtonnetzwerk, da steht auch einiges, was vielleicht wichtig ist, zu wissen. https://www.euro-hd.net/html/disease/fa ... 25e2e96d68

Bei Deinem Vater ist die Ch ja recht spät aufgetreten, und er ist auch den Umständen entsprechend recht mobil. Nur psychisch scheint er sich verändert zu haben, was auch seine Handlungen erklärt. Wie ist es denn eigentlich mit seinen Bewegungen. Ist er da unruhig oder mehr ruhig?

Mit der Hilfe Deiner Verwandten sieht es ja nicht so gut aus, dies ist leider oft so :(

Es ist schön, das Du Dich trotz allem um Deinen Vater kümmerst, aber wie gesagt, denk auch an Dich, denn alles kannst Du, so wie ich auch, nicht verändern, was passiert.
Bring Deinem Vater vielleicht mal etwas leckeres mit zu Essen, was er gerne mag, vielleicht freut er sich.

Einen schönen Tag noch, Udo

:wink:
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kimmi0910
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Beitrag: # 22627Beitrag kimmi0910 »

Hallo,

habe versucht, am Samstag meinen Vater zu besuchen. Hat leider nicht aufgemacht. 3 Stunden später habe ich ihn angerufen. Er recht deutlich gesprochen, was mich immer ein bisschen beruhigt, aber dass was er gesagt hat, waren die üblichen Beleidigungen. Na, ja.
Habe ihm Kuchen vor die Tür gestellt. Der alte Kuchen war viel zu sauer, den könne ich behalten, etc.

Was mir beim Stöbern im Forum aufgefallen ist, da schreibt eine Inge im Juni 2008 als Antwort auf eine Frage folgendes:

"Ruf doch mal die Krankenkasse an, schildere die Situation, dann schicken die den med. Dienst. Sie wird es dann schon einsehen, daß sie Hilfe braucht.Bei meiner Mutti war das ähnlich damals. Du mußt sie "übergehen", denn sie selbst kann das ja nicht einschätzen. "

Meine Frage ist nun, soll man einen Patienten einfachen "übergehen" oder soll man ihm seine Mobilität, Freiheit und Würde lassen, bis es tatsächlich nicht mehr geht.

Was ist eure Meinung?
Grüße Kimmi
rio
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Beitrag: # 22632Beitrag rio »

Die Frage ist sicher schwer zu beantworten. Habe selbst einen ähnlichen Fall im Moment, keine Chorea wohl eher Demenz oder ähnliches:

Der Mann hat seit Jahren keine Post mehr geöffnet, weiß oft nicht, ob morgens oder abends ist, wohnt aber noch allein und fährt noch Auto. Jemand macht ihm nun die Post, aber würde gerne mal den Arzt da vorbeischicken, allerdings auch nicht der Grund sein für einen Vormund von Amts wegen. Der Jemand weiß nun auch nicht, was tun.

Ich meine ja, bevor der mit dem Auto noch jemanden zu klump fährt, besser mal was unternehmen, aber andereseits ist er ja so anscheinend noch fit, also ähnlich wie Dein Vater.
Justine
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Beitrag: # 22635Beitrag Justine »

Hallo Kimmi,
im Nachinein betrachtet, mein Mann lebt ja nun schon 2 1/2 in einem Pflegeheim, hab ich viele Dinge angeleiert, die mein Mann im ersten Moment immer abgelehnt hat.
Arttermine, Aufenthalt in Heiligenhafen,Medikamente ausprobieren& wieder sein gelassen, Therapien wie Krankengymnastik& Logo, mobiler Pflegedienst für die Zeit in der ich arbeiten bin,.......und auch das Pflegeheim wollte er erst nicht anschauen, ist nur widerwillig mitgekommen. Dort wurde ihm dann alles so nett& geduldig & liebvoll gezeigt, dass er nur noch fragte"Wann kann ich einziehen" und ich war total perplex & in der ersten Sekunde etwas geschockt über seinen schnellen Entschluß, denn sonst haben wir uns immer wegen allem gestritten und er war immer erstmal gegen alles. Ich hatte absolut nicht damit gerechnet, dass alles so schnell gehen würde und 1 Woche später zog er dort ein.

Heute betrachtet war das glaube ich, das Beste, was uns passieren konnte, denn ich weiß nicht, wie es heute mit ihm aussehen würde, wenn er noch zuhause wäre, aber was auch wichtig ist, ich weiß nicht, wie es mir heute gehen würde.
Wir waren beide ganz schön am Ende. Gerade weil es ja immer ein stiller Kampf zwischen uns beiden war. Er wollte sich nicht helfen lassen & nur leben, doch die Lebensqualität sank zuschaubar rapide & ich wollte helfen, wollte das er dagegen ankämpft & war wütend & verzweifelt, das er es meiner Meinung nach nicht tat.

Das schlimmste für einen Angehörigen ist das Zuschauen& nichts zu unternehmen/ unternehmen zu können oder das Handeln & das meistens erstmal gegen den Willen des Betroffenen.

Ich denke viele hier im Forum wissen, was ich meine.

Was ich damit ausdrücken möchte ist, dass Du 2 Möglichkeiten hast.
Lebe dein eigenes Leben und lass deinem Vater seinen momentanen Alltag oder trete mit den Ärzten deines Vaters in Verbindung & setzte Dich mit einem sozialen Dienst in Verbindung. Die begleiten Dich auch zu deinem Vater und bekommen dann schon mal einen ersten Eindruck von deinem Vater.

Egal, was Du unternimmst oder nicht unternimmst dein Vater wird immer barsch auf Dich reagieren oder wütend. Sich zu bemuttert fühlen oder im Stich gelassen.
Diese Überreagtionen gehören auch zum Krankheitsbild. Damit mußt Du versuchen klarzukommen oder sie auszublenden. Er kann nichts dafür.

Könntest Du vielleicht auch in Kontakt treten mit noch engen Freunden deines Vaters? Gibt es da noch Freunde?

Lass wieder von Dir hören okay.
Gruß
Justine
kimmi0910
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Beitrag: # 22654Beitrag kimmi0910 »

Hallo Justine,

danke für deine Nachricht.

Ich kann mir vorstellen, dass es für dich äußerst schwer war, alsl du noch mit deinem Mann zusammengewohnt hast. Genauso wie es für meine Mutter sehr schwer war. Sie war ja an Brustkrebs erkrankt und wurde immer schwächer durch Chemos und Cortison. Sie hatte ihre eigenen Probleme und mein Vater hat oder konnte sie nicht unterstützen (durch seine Krankheit, was wir damals aber noch nicht wußten). Als meine Mutter dann starb, hat er mir sofort der Hausschlüssel abgenommen.

Das ist jetzt 4 Jahre her. Seitdem wurschelt er sich ganz alleine durchs Leben. Von außen ist es ganz schwer an in ran zu kommen.

Ich muss sagen, ich hatte schon als Kind sehr viel Respekt, manchmal sogar Angst vor ihm. Er musste nur einen bestimmten Blick aufsetzen und schon war ich ganz klein mit Hut. Ich habe gemerkt, dass das heute fast noch genauso ist.

Manchmal wenn er mich nicht ins Haus lässt und ich ihn dann von zu Hause anrufe, klingt seine Stimme immer noch genauso stark wie früher, jedoch noch beleidigender und bösartiger.

Ehrlich gesagt ich traue mich nicht ihn einfach zu überfahren. Es ist einfach eine ganz andere Ebene: Vater und Tocher. Ehefrau und Ehemann oder Bruder und Schwester stehen für mich auf einer Ebene. Ich hoffe du weisst was ich meine.

Freunde hat es vorher kaum gegeben und gibt es jetzt keine mehr. Er hat zwei Schwestern, die sich gar nicht um ihn kümmern. Ich bin die einzige, die Kontakt mit ihm hält, aber auf diesen Kontakt legt er NULL wert. Das sagt er mir immer wieder.

Es wäre um so vieles einfacher, wenn er wüßte dass er Hilfe braucht und die würde ich ihm ja gerne geben, trotz allem.

Aber ich schaffe es einfach nicht ihm seine Freiheit und seine Mobilität, die er noch hat, zu nehmen.

Er würde, wenn ich mit einem Arzt oder jemand von der Sozialstation auftauche, wütend die Tür zuschlagen. Man müsste in fesseln und knebeln um ihn zu untersuchen oder auch nur mit ihm zu sprechen.

Ich finde es toll wie du es geschafft hast einen Weg für dich und deinen Mann zu finden und wünsche dir weiterhin viel Kraft dafür.

Für mich hoffe ich, dass irgendwann mal eine Situation entsteht, wo ich dann auch etwas unternehmen kann ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

Bis bald
Kimmi
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