Warum manifestiert sich CH erst im mittleren Lebensalter?

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

Moderator: Moderatoren

Antworten
Isi
Beiträge: 79
Registriert: 18.09.2007, 11:38
Wohnort: Bayern

Warum manifestiert sich CH erst im mittleren Lebensalter?

Beitrag: # 25625Beitrag Isi »

Hallo!

Warum manifestiert sich CH erst im mittleren Lebensalter? Das ist eine Frage, die ich mir schon lange stelle, auf die ich aber bislang leider noch keine Antwort gefunden habe. Ich weiß zwar, dass es auch juvenile Formen von Chorea Huntington gibt, aber meistens bricht die Krankheit ja erst ab Mitte 30 oder später aus.
Es würde mich auch interessieren, ob die Vorgänge, die zu einer Schädigung der Gehirnzellen führen (also die Proteinablagerungen) dann auch erst kurz vor Eintreten der ersten Symptome starten, oder ob dieser schädliche Mechanismus schon seit Geburt abläuft. Immerhin trägt man die chromosomale Mutation, die dafür verantwortlich ist, ja auch schon von Anfang an mit sich.
Ich wundere mich eben immer wieder, dass man viele Jahre lang ein ganz normales, gesundes Leben führen kann und sich dann urplötzlich alles so verändert.
Falls sich da irgendwer von euch mit auskennt, würde ich mich über Antworten freuen!

Liebe Grüße
Isi


gauranga
Beiträge: 64
Registriert: 27.01.2011, 19:43

Mein Erklärungsmodell

Beitrag: # 25642Beitrag gauranga »

Hallo,

Also ein Experte bin ich nicht. Aber ich kann dir ja mal kurz mein "Erklärungsmodell" vorstellen.
Ich vergleiche die CH mit einer Art Vergiftung. Der Körper vergiftet sich durch die vermehrte Produktion von ??? (grad keine Ahnung, wie das heißt) selbst, die durch die Mutation dieses Genabschnitts entsteht. Dieser Genabschnitt verschlüsselt die Menge und Art eines bestimmten Proteins. Wenn der Abschnitt aber in vielfacher Weise vorliegt, wird das Eiweiß eben entsprechend mehr synthetisiert. Der Körper kann das aber nicht verarbeiten und ausgleichen, kann den Überschuss eine Zeit lang tolerieren, dann setzen aber schleichend Vergiftungserscheinungen ein. Das ist so ähnlich wie eine Verstopfung des Abflussrohres (ich weiß, Vergleiche hinken immer....). Da lagert sich langsam aber stetig Zeugs in dem Rohr ab. Die Passage zum Abfließen wird zunehmend enger. Anfangs fällt das nicht auf. Dann läuft das Wasser immer langsamer ab. Irgendwann fällt das halt auf, wird nix gemacht, dann geht irgendwann gar nix mehr. Und bei CH kann man ja leider auch nur einzelne Symptomatiken behandeln und nicht die Ursache.
Bei CH können anfänglich in jüngeren Jahren schleichende Veränderungen psychischer Natur sein und vielleicht durch affektive Störungen auffallen (zB Depressionen), vielleicht auch Verhaltensveränderungen, wie reizbarer. Muss aber nicht. Dann treten erste eindeutigere Symptome ein, weil die Vergiftung zunimmt. Und je häufiger dieser Genabschnitt vorhanden ist, umso fürher setzen die eindeuigen Erscheinungen ein. Je weniger, je später (oder eben gar nicht).

So, das ist mein Erklärungsmodel, hier mal ganz schnell und einfach wiedergegeben.


Liebe Grüße

Gauranga
Udo
Moderator
Beiträge: 5410
Registriert: 16.06.2006, 01:19
Wohnort: Itzehoe
Kontaktdaten:

Beitrag: # 25643Beitrag Udo »

Ich vermute auch, das die Veränderungen schon in jungen Jahren anfangen, allerdings so gut wie unmerklich. Auch wenn das Gehirn ja eine hohe Regenerationsfähigkeit hat, ist es irgendwann nicht mehr in der Lage, die Dezifite auszugleichen, und erst dann machen sich auch erste spürbare Symptome bemerkbar. Zumindestens konnte ich einige kleinere Symptome meiner Freundin erst viel später nachträglich mit der Ch in Verbindung bringen, bzw. mir erklären.

So, oder ähnlich wird es wohl sein, allerdings ohne Gewähr.
Trotzdem sollte jetzt bitte bitte keiner in Panik geraten, wenn er mal ein Zucken bei sich verspürt. Sowas habe ich auch manchmal, an den Händen, oder am Hals, und ich habe keine Ch.

Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Dr.Lange
Beiträge: 263
Registriert: 19.11.2009, 22:30
Wohnort: Düsseldorf

Beginn der HK

Beitrag: # 25704Beitrag Dr.Lange »

Es ist eigentlich schon seit den frühen 80iger Jahren klar, dass die HK nicht erst beginnt, wenn man Bewegungsstörungen sieht. Es gibt eine präklinische Phase von 10 - 15 Jahren, in der man mit subtilen Methoden Störungen der Hirnfunktion mess- und sichtbar machen kann. Dies haben jetzt die TRACK-HD-Studie und die PREDICT-Studie bestätigen können (die Ergebnisse sind publiziert (werden im http://en.hdbuzz.net/ laienverständlich dargestellt - leider z.Zt. nur auf englisch u. spanisch).
Eine Forschgruppe meinte jetzt sogar, Hinweise gefunden zu haben, das Gehirn der Huntington-Genträger entwickle sich von Anfang an falsch.
Das halte ich für Blödsinn, da ich genügend Menschen als Huntington-Genträger kennengelernt habe, die psychisch und physisch bis zum Alter von 60 oder mehr total gesund und fit waren.
In den Gehirnen von Huntington-Genträgern findet man bestimmt keine falschen Eiweißablagerungen 30 Jahre vor Ausbruch motorischer Symptome, aber 10 Jahre vorher schon.
Es gibt Gehirne, die zeigen schon Schrumpfung, und sie funktionieren in Alltag und Beruf 100 % - andererseits sehen Gehirne von manchen Genträgern ganz intakt aus, die Menschen kommen aber nicht mehr zurecht und sind schon in nervenärztlicher Behandlung.
Ich hoffe, ich konnte diesen komplizierten Sachverhalt, der gegenwärtig noch intensivst erforscht wird, einigermaßen verständlich darstellen.
Bitte stellen Sie weitere Fragen, wenn Sie mehr wissen wollen.
Alles Gute!
Dr.Lange
inschepup
Beiträge: 441
Registriert: 21.04.2007, 23:48

Beitrag: # 25705Beitrag inschepup »

hallo ! Es gibt die seite jetzt auch z.T. übersetzt

http://de.hdbuzz.net/
Isi
Beiträge: 79
Registriert: 18.09.2007, 11:38
Wohnort: Bayern

Beitrag: # 25706Beitrag Isi »

Vielen Dank für die zahlreichen, plausiblen Antworten!
Wenn man nun schon einige Jahre vor Ausbruch der Symptome Eiweißablagerungen nachweisen kann, ist es dann trotzdem nicht möglich, eine präsymptomatische Therapie anzuwenden? Bislang habe ich immer wieder gehört und gelesen, man könne erst dann medizinisch was unternehmen, wenn die Krankheit bereits offensichtlich ausgebrochen ist. Ist das tatsächlich die traurige Wahrheit oder könnte es etwas nützen, im Vorfeld bereits Medikamente einzunehmen?
Udo
Moderator
Beiträge: 5410
Registriert: 16.06.2006, 01:19
Wohnort: Itzehoe
Kontaktdaten:

Beitrag: # 25707Beitrag Udo »

inschepup hat geschrieben:hallo ! Es gibt die seite jetzt auch z.T. übersetzt

http://de.hdbuzz.net/
Oha, das ist ja wieder mal was gutes!

Gruß, Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Dr.Lange
Beiträge: 263
Registriert: 19.11.2009, 22:30
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag: # 25709Beitrag Dr.Lange »

Isi hat geschrieben: Wenn man nun schon einige Jahre vor Ausbruch der Symptome Eiweißablagerungen nachweisen kann, ist es dann trotzdem nicht möglich, eine präsymptomatische Therapie anzuwenden? Bislang habe ich immer wieder gehört und gelesen, man könne erst dann medizinisch was unternehmen, wenn die Krankheit bereits offensichtlich ausgebrochen ist. Ist das tatsächlich die traurige Wahrheit oder könnte es etwas nützen, im Vorfeld bereits Medikamente einzunehmen?
Das ist gegenwärtig Gegenstand intensiver Forschung, weil klar ist, dass man mindestens 10 Jahre vor Ausbruch der Bewegungsstörungen mit der schützenden Therapie beginnen muss. Zur Zeit werden Q10 und Kreatin auch bei Risikopersonen auf ihre schützende Wirkung geprüft. Diese beiden Naturstoffe empfehle ich schon seit langem (Info dazu auf der Webseite der DHH). Die Prüfung anderer Substanzen ist in konkreter Planung, der Huntington-Kurier (die Quartalszeitung der Huntington-Selbsthilfe, wird an Mitglieder verschickt - und das sind Sie doch alle?!) wird demnächst darüber berichten.
Da man jetzt ja in der sogenannten "präklinischen Phase" der HK Gehirnfunktionen messen kann, kann man nach 2 - 3 Jahren Beobachtungszeit konkrete Schlüsse ziehen, ob eine Therapie hilft oder nicht. Genträger sollten sich an das nächste EHDN-Zentrum wenden und ihr Interesse, an solchen Studien teilzunehmen, kund tun. First come, first serve!
Es ist gesichertes Wissen, dass Lebensumstände den Verlauf der HK positiv oder negativ beeinflussen. Wenn das Gehirn von Huntington-Genträgern ständig zu viel Stress verarbeiten muss, wird es eher und schneller erkranken.
Wohlfühlen ist die beste Medizin fürs Gehirn. Also: tun Sie was für Ihr Wohlergehen - jeder auf seine spezielle Weise! Viel Vergnügen dabei.
Dr.Lange
Leila08
Beiträge: 25
Registriert: 22.11.2010, 18:10

Beitrag: # 25738Beitrag Leila08 »

hallo

also das hat mich ja auch interessiert ob man im vorfeld nicht schon versuchen kann medikamente zu nehmen.....
wo genau kann man denn bei uns ein "EHDN-Zentrum" finden? (was genau bedeutet EHDN? sicherlich ein zentrum für neurologie o.ä.)
also wir (mein freund ist genträger) wohnen in südbrandenburg... dresden und cottbus sind die 2 größeren städte die gut zu erreichen sind....

es gibt ja so viele ansätze bzw. medikamente oder methoden die alle geforscht werden.... aber die zeit rennt einem davon... und nichts zu unternehmen ist verschenktes glück. kann man dort direkt anrufen und nachfragen ob man an einer studie teilnehmen kann? ich hab eher angst davor dass man nur ein placebo verabreicht bekommt anstatt das wirkliche medikament was ja in vielen studien passiert um sichere ergebnisse zu erzielen (die nicht durch hoffnung beeinflusst werden)

ich bin sehr interessiert, will aber meinem freund erst den vorschlag machen wenn ich genau weiß ob das denn möglich ist und ich mich mit jemanden in verbindung gesetzt habe (in unserer nähe usw.) damit ich nicht iwas erzähle und im nachhinein klappts eh nich...

mich erschreckt das ein bisschen da meinem freund letztes jahr bei der diagnose gesagt wurde es gibt keine medikamente die es evt. hinauszögern oder verbessern können...(gibt es ja eig. auch nicht direkt aber halt ansätze)
da die krankheit wohl so selten vorkommt und sich die ärzte damit wohl nicht so beschäftigen...
aber es gibt ja so viele ansatzpunkte....
eine gentherapie oder das transplantieren von nervenzellen v. föten.... oder ein hirn-schrittmacher....oder medikamente.... wird ja alles studiert und geforscht...was ja zeigt das man versucht etwas zu finden
wenn man sich heutzutage nicht selbst erkundigt steht man echt auf dem schlauch :(

aber vorerst liebe grüße
Udo
Moderator
Beiträge: 5410
Registriert: 16.06.2006, 01:19
Wohnort: Itzehoe
Kontaktdaten:

Beitrag: # 25742Beitrag Udo »

Leila08 hat geschrieben:(was genau bedeutet EHDN? sicherlich ein zentrum für neurologie o.ä.)

aber vorerst liebe grüße
EHDN = European Huntington's Disease Network

Übersetzt ungefähr: "Europäisches Huntingtonkranken Netzwerk"
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Isi
Beiträge: 79
Registriert: 18.09.2007, 11:38
Wohnort: Bayern

Beitrag: # 25748Beitrag Isi »

Zur Zeit werden Q10 und Kreatin auch bei Risikopersonen auf ihre schützende Wirkung geprüft. Diese beiden Naturstoffe empfehle ich schon seit langem
Ich habe mir nun Kreatin in Pulverform und Q10-Pillen aus der Apotheke bestellt. Zwar weiß ich momentan noch nicht ob ich überhaupt Genträger bin, da ich mit dem Test noch ca. 2-3 Jahre warten möchte, aber ich denke mal, wenn man die Dosis gering hält, wird das schon nicht schaden??! Kreatin nimmt man ja, wie ich gelesen habe, hauptsächlich über Fleisch auf, und davon ess ich eh nicht allzu viel.

Haltet ihr das für sinnvoll?
Es macht mich ziemlich wahnsinnig zu wissen, dass ich zu 50% erkranken könnte und sonst schon nichts weiter dagegen tun kann. Und da Kreatin zumindest bei Tierversuchen schon eine gute Wirkung gezeigt hat, hoffe ich dadurch evtl zumindest ein wenig etwas bewirken zu können.
Udo
Moderator
Beiträge: 5410
Registriert: 16.06.2006, 01:19
Wohnort: Itzehoe
Kontaktdaten:

Beitrag: # 25750Beitrag Udo »

Isi hat geschrieben:
Zur Zeit werden Q10 und Kreatin auch bei Risikopersonen auf ihre schützende Wirkung geprüft. Diese beiden Naturstoffe empfehle ich schon seit langem
Ich habe mir nun Kreatin in Pulverform und Q10-Pillen aus der Apotheke bestellt. Zwar weiß ich momentan noch nicht ob ich überhaupt Genträger bin, da ich mit dem Test noch ca. 2-3 Jahre warten möchte, aber ich denke mal, wenn man die Dosis gering hält, wird das schon nicht schaden??! Kreatin nimmt man ja, wie ich gelesen habe, hauptsächlich über Fleisch auf, und davon ess ich eh nicht allzu viel.

Haltet ihr das für sinnvoll?
Es macht mich ziemlich wahnsinnig zu wissen, dass ich zu 50% erkranken könnte und sonst schon nichts weiter dagegen tun kann. Und da Kreatin zumindest bei Tierversuchen schon eine gute Wirkung gezeigt hat, hoffe ich dadurch evtl zumindest ein wenig etwas bewirken zu können.

Ich hatte eben mal kurz etwas gesucht, und es ist ja immer interessant, das diese, in diesem Fall Deine Anfrage auch bei Google auftaucht. Ich denke mal, das alles, was gegen Ch irgendwie wirksam ist, nicht schaden kann, und man es auch benutzen kann. Q10 ist übrigens auch Glutenfrei, was auch ein wichtiger Aspekt ist, nämlich wenn es geht, Glutenfreie Nahrungsmittel zu sich zu nehemen. Es gibt ja so einige Gewürze, Nahrungsmittel etc. die Gluten oder Glutamat als Geschmacksverstärker enthalten. Das soll nicht gut sein. http://www.kwick.de/clans/224986/blog/

Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Isi
Beiträge: 79
Registriert: 18.09.2007, 11:38
Wohnort: Bayern

Beitrag: # 25753Beitrag Isi »

Vielen Dank für den Tipp bzgl des Glutamats, Udo! Das war mir bisher auch noch nicht bekannt...
Udo
Moderator
Beiträge: 5410
Registriert: 16.06.2006, 01:19
Wohnort: Itzehoe
Kontaktdaten:

Beitrag: # 25754Beitrag Udo »

Man kommt wohl nicht herum, ab und zu was von dem Zeugs beim Essen aufzunehmen, ihm ganz aus dem Weg zu gehen, ist wohl nicht so einfach. Ist ja irre, wo das überall so drinsteckt. Aber wenn man darauf achtet, möglichst wenig davon zu sich zu nehmen, ist das schon gut. In dem Bericht, der vielleicht auch ein bißchen reißerisch ist, steht ja auch, das man schon viel Glutamat zu sich nehmen muss, um die Höchstdosis zu überschreiten. Trotzdem, je weniger, desto besser, denke ich.

So long!

Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
andypall
Beiträge: 9
Registriert: 05.07.2012, 11:41

Beitrag: # 29493Beitrag andypall »

Glutenfreie Lebensmittel zu erhalten gestaltet sich bei uns zu einem regelrechten Einkaufsmarathon. Nirgends erhält man zum Beispiel glutenfreies Brot, weshalb ich inzwischen dazu übergegangen bin, das im Internet zu bestellen. Das wird mir zwar nicht "frisch" geliefert, aber die Alternative mit dem Aufbacken finde ich sehr gut. Damit es sich lohnt, bestelle ich immer gleich etwas mehr. Dann spare ich noch Geld bei den Versandkosten und sollte sich trotz meinem großen Verbrauch das MHD nähern, friere ich den Rest ein ... funktioniert ohne Probleme :D
Antworten

Zurück zu „Chorea Huntington“