Verantwortung

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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Catheli
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Verantwortung

Beitrag: # 27619Beitrag Catheli »

Ihr Lieben - :)

ich habe mal einen Titel "Verantwortung" gewählt - den kann man von so vielen schönen Seiten beleuchten ... mal :D mal :( !

Auch passt er zum Thema Partnerschaft und Elternsein , wer übernimmt wo Verantwortung und zu welchem Preis ?!

Ich habe heute selbst für mich beim Gericht einen gesetzlichen Betreuer bestellt . In den vergangenen Wochen fast Monaten hab ich mich dahingehend verändert , dass ich Dinge tat , von denen ich selbst nichts mitbekam , mich nicht erinnern konnte und daher auch keinerlei Kontrolle oder Vorsorge ausüben konnte . Aggressionen auf erschreckende Weise waren dabei . Mein Freund hat so viel Geduld , wie er haben kann ; meine Kinder haben zum Glück wenig abbekommen , dafür gehen mir meine Nachbarn vor Angst aus dem Weg . Sie haben öfters die Polizei alarmiert , die auch gestern wieder in ein Lebensmittelgeschäft gerufen wurde . Das war zwar schlimm , aber für mich endlich der Anlass , die nötigen Schritte aufgezeigt zu bekommen .
Ich möchte ganz bewusst meine Familienmitglieder und Freunde , die ich von Herzen liebe , und sie mich auch , aus solchen Angelegenheiten raushalten , und ihnen sogar noch die Möglichkeit geben , selbst einen Ansprechpartner zu haben , falls sie sich persönlich zu betroffen fühlen .

Aus Euren Erzählungen habe ich gelernt , dass es für den "betreuenden Partner" die Aufgabe seines eigenen Lebens ist - in jeder Hinsicht .

Bei uns wird der "Mr. Huntington" wie ein extra Familienmitglied integriert , der seine entsprechende Behandlung erfordert . So ist es möglich , dass ich als Mensch und die Krankheit nicht in einen Topf geworfen werde ! Das ist unsagbar wichtig , denn das Wesen jedes Kranken bleibt immer das selbe , es ist nur nicht immer zu erkennen . Wenn ich nun z.B. nicht Herrin meines Körpers und meiner Zunge bin , kann mein Freund z.B. entscheiden , wie schlimm es für IHN ist , sich das anzuhören oder anzutuen , ob er bleibt oder erstmal rausgeht - dass ich es gar nicht merke und man daher auch gar nicht mit mir reden kann , weiß er . Und wenn´s wirklich schlimm wird , hat er dann auch in meinem Betreuer eine Hilfe , und muss nicht alles allein entscheiden .

Aus Euren oft Leidgeplagten Erlebnissen habe ich dies als eine der besten Möglichkeiten gefiltert , dass der Partner und die Familie ihr eigenes Leben behalten , der Kranke nicht zum Feind , Fremden oder Problemfall bzw. Belastung wird , sondern für alle der/diejenige bleibt , der/die er/sie immer war . Das hilft dem Kranken mehr , als ihr denken könnt - denn so , wie man behandelt wird , kann man sich auch verhalten ! :wink:

Viele von Euch , die jetzt am Anfang des Weges stehen , den positiven Test gerade haben oder frisch verliebt sind - oder sich schon länger lieben --- seht , dass Ihr Euch nicht ungesund aneinander bindet , weil sich der Ehepartner oder die Kinder verpflichtet fühlen , sich gnadenlos um den Erkrankten zu kümmern . Diese Gnadenlosigkeit würde die Liebe killen und alle Beteiligten leiden .
Meine Kinder und mein Freund können über meine "Eskapaten" lachen , weil sie vom Mr. Huntington ausgehen und nicht von mir !

Versteht Ihr , was ich meine ?

Ich weiß , dass viele von Euch sagen , "bei uns ist das anders" - der Betreffende will keine Hilfe - ich weiß selbst , wie schnell es geht , dass man so denkt . Nicht jeder ist gleich . Aber für diejenigen unter Euch , die noch am Anfang sind und den Willen aufbringen können , den Kopf nicht in den Sand zu stecken - heißt Verantwortung zu übernehmen etwas ehrliches und befreiendes . Das ist die Liebeserklärung an das eigene Leben und das derjeniger , die Ihr liebt . Ich meine damit die Positiv getesteten oder noch Unschlüssigen . Alles hat seine Guten Seiten - findet sie ! Krise und Chance ist das Gleiche . In kleinen Alltagsdingen ist es schon leichter zu sagen , ok - das war blöd , aber dafür ist dieses Schöne dabei rausgekommen . Z.B. habt Ihr ein Auto , dass schon älter und repearaturbedürftig ist. Ihr habt kein Geld für ein neues . Eines Tages nimmt Euch jemand die Vorfahrt - alles Schrott , vielleicht ein gebrochener Arm ... doch mit dem Geld der Versicherung könnt Ihr ein tadelloses Auto kaufen und der Arm ist schnell geheilt . Über sowas schmunzelt man doch später . Das mit dem Huntington ( und jeder anderen Krankheit oder Situation ) ist das Gleiche ,in einem größeren Rahmen , aber das Prinzip bleibt . Man muss sich nur die Mühe machen das Gute zu finden ! ! :)

Ich Wünsche Euch alle Kraft , Entschlossenheit und Einsicht dazu ----
und freue mich , wenn Ihr zu diesem Thema viele Gedanken habt und auch schreibt ----

Eure Catheli


Udo
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Beitrag: # 27620Beitrag Udo »

Hallo Catheli,

das hast Du sehr schön umschrieben, wie sich " Mr. Huntington" auf einen auswirkt. Ich habe immer versucht , bzw. halte es so, das meine Freundin 2 Gesichter hat. Einmal das der Huntingtonerkrankung, und einmal ist es Kaja. Man muss etwas abstrakt denken, um so zu handeln. Auch Kaja hatte eine , ich sage mal Aggressive Phase, die aber auch so verstanden werden kann, das Sie um Hilfe ruft, oder auch einfach "Hört mir zu, hier bin ich!"
Und es ist ein bißchen eine Lebensaufgabe, die auch schön sein kann. Ich erinnere mich immer wieder an den Satz einer Frau, deren Mann die Huntingtonkrankheit hatte, die mir sagte, durch die Huntingtonerkrankung hatten sie die intensivsten Jahre Ihres Lebens. Dies geht nur, wenn man die Krankheit nicht als Feind ansieht, den dann ist sie stärker. Verhindern kann man sie "leider" noch nicht., aber man kann versuchen, sich irgendwie zu arrangieren. Dies ist beileibe nicht leicht, aber der Weg, der tatsächlich auch ein bißchen Lebensfreude in die Krankheit bringen kann. Ich weiss, jetzt halten mich alle für abgedreht, aber sag mir einer eine bessere Lösung.

Gruß, Udo
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Catheli
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Beitrag: # 27621Beitrag Catheli »

Oh , lieber Udo -

das ist ganz und gar nicht abgedreht , sondern absolut perfekt !!! :)

Genauso meine ich es .

Hoffentlich erkennen es noch viel mehr Betroffene -

Alles Liebe

Catheli
Aley

Beitrag: # 27623Beitrag Aley »

Ich finde es eine schöne Ansichtsweise, ich habe nur Angst davor, dass Mr. Huntington irgendwann so mächtig wird, dass es den Menschen selbst verdrängt.
Aber das ist ja so weit gedacht. Wenn es bloß nur die Bewegungsstörungen wären - seufz. Das wäre viel einfacher.
Udo
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Beitrag: # 27624Beitrag Udo »

Aley hat geschrieben:Ich finde es eine schöne Ansichtsweise, ich habe nur Angst davor, dass Mr. Huntington irgendwann so mächtig wird, dass es den Menschen selbst verdrängt.
Aber das ist ja so weit gedacht. Wenn es bloß nur die Bewegungsstörungen wären - seufz. Das wäre viel einfacher.
Mr. Huntinton ist sehr mächtig, aber er mag es gar nicht, wenn ein Mensch, den er befallen hat, Freunde hat. Dann wird er zumindestens nicht übermächtig. Ein bißchen ist die Huntingtonerkrankung auch wie Alice im Wunderland, unergründlich, mit immer neuen Facetten und Überraschungen.
Ich will es nun aber nicht toll reden, ist nur eine andere mögliche Seite der Sichtweise.

Udo
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rio
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Beitrag: # 27625Beitrag rio »

Sehr interessante Sichtweisen, die aber auch sehr viel Mut oder auch Entscheidungskraft verlangen. Auf jeden Fall ein Kandidat für Wichtige Themen
Tschüß Atomstrom, es lebe Ökostrom! Durch Lieferantenwechsel bei Strom und Gas Geld sparen.
Mai305
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Beitrag: # 27635Beitrag Mai305 »

Hallo!
Ich finde diese Sichtweise echt gut wenn man schon so weit ist wie Ihr.Soweit bin ich noch nicht aber ich arbeite an mir. :) Bei uns ist es so das mein Vater (der betroffen ist) schon früher Ausraster hatte also milde ausgedrückt sehr impolsiv war.Da ist es für mich echt schwierig zu sagen das kommt jetzt von der Krankheit oder von ihm.Wobei er zur Zeit eher ruhig ist.Ja und Mr.Huntington ist für mich noch sehr mächtig.Jetzt ist mein Vater am Anfang und in ein paar Jahren kommt meine Tante auch dazu,denn sie hat auch ein pos. Ergebnis.Zu sehen das 2 Menschen die man liebt an der Krankheit leiden tut einfach weh.Also Ihr seht ich Kämpfe noch mit mir :(
Ich wünsche Euch allen weiterhin viel Kraft und Geduld.
Viele Grüße Mai305
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