Bin neu hier

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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Jehane
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Registriert: 24.02.2012, 03:10

Bin neu hier

Beitrag: # 27821Beitrag Jehane »

Hallo zusammen,
ich bin neu hier und weiß grad gar nicht, wo ich anfangen soll. Meine Schwiegermutter in spe (mein Verlobter und ich heiraten im September) ist vorige Woche an CH gestorben, sie wurde nur 65 Jahre alt. Mich macht das total fertig. Wir haben die vergangenen Jahre zusehen müssen, wie sie immer weiter verfallen ist, in den letzten 1,5 Jahren hat sie uns nicht mehr erkannt, konnte nicht mehr sprechen, war auf Pflegestufe 7 und hat Betreuung rund um die Uhr gebraucht. Der Vater meines Verlobten hat sich all die Jahre wunderbar um sie gekümmert, für ihn kam es nicht eine Sekunde lang in Frage, sie in ein Heim zu geben, und er hat sich von den Pflegerinnen auch nur bedingt helfen lassen. Er hat das, kurz gesagt, großartig gemacht, und ich bewundere ihn sehr dafür.

Wir alle wissen, dass CH zu 50% vererbt wird, und genau da liegt mein (oder vielmehr: unser) Problem: Mein Verlobter hat das vermaledeite Gen auch in sich. Wir wissen, dass es irgendwann ausbrechen wird, und obwohl wir uns gegenseitig versichern, dass wir uns jetzt nicht verrückt machen, sondern das Leben genießen, solange es noch geht - trotzdem habe ich Panik. Richtige Panik. Wir sind beide 38 Jahre alt, CH bricht ja meistens so um das 40 Lebensjahr herum aus. Wie sollen wir das schaffen? Wie soll das gehen? Er wird irgendwann aufhören müssen zu arbeiten, weil's irgendwann nicht mehr gehen wird, aber ich kann nicht zeitgleich mit ihm die Arbeit niederlegen, weil wir das Geld brauchen, wir müssen die Pflege ja irgendwie finanzieren. Und ich weiß auch nicht, ob ich ihn so pflegen kann, wie sein Vater das für seine Mutter gemacht hat. Ich bin selbst chronisch krank (Epilepsie, Hashimoto) und nicht unendlich belastbar, aber ich will ihn auch nicht im Stich lassen. Ich hab panische Angst, grade jetzt, wo seine Mutter von uns gegangen ist. Bei ihr wurde die Krankheit im Alter von 40 Jahren diagnostiziert; sie hat's geschafft, mit viel Sport den Fortschritt etwas zu verzögern und ist 65 Jahre alt geworden.

Als sie gestorben ist, war mein erster Gedanke "Uff, sie hat's überstanden". Der zweite Gedanke war "OMG, mein Verlobter hat nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung". Wie geht ihr damit um? Gibt's Strategien? Ich hab in den vergangenen Jahren immer versucht, stark zu sein, aber jetzt grade breche ich einfach zusammen und weiß nicht mehr weiter :( Ich will ihn nicht verlieren und baue auf die Forschung, hoffe, dass es in den nächsten Jahren eine Behandlung geben wird, die den Fortschritt der Krankheit hinauszögert.

Sorry für das lange und vermutlich etwas konfuse Posting; ich bin grade etwas durch den Wind, gestern ist die Oma meines Verlobten gestorben - zwei Todesfälle innerhalb von 1,5 Wochen sind einfach zu viel. Ich pack das nicht. Würde mich freuen, wenn wir uns hier austauschen könnten.

lg
Jehane


Aley

Beitrag: # 27835Beitrag Aley »

Herzlich Willkommen hier im Forum!

Bei deiner Geschichte fehlen mir wirklich die Worte und Fälle wie deine sind es, die mich dafür bitten lassen, dass es einmal eine gute Heilung für Chorea Huntington geben wird.

Weißt du noch, wie die CH bei der Mutter deines Verlobten angefangen hat? Es schleicht sich eigentlich ein, am Anfang hättest du es nicht als CH bemerkt, wenn du nicht wegen dem Testergebnis und dem "Ab 40 geht es los" genauer darauf geachtet hättest.
Meist beginnt es mit ein paar Stimmungsschwankungen / Wesensänderungen, eben den psychischen Syndromen, können viele sein, aber eben auch Macken, die man als Normaler auch bekommen könnte. Das erste wirklich dann als CH auffällige Syndrom bei meiner Mutter war damals das Laufen. Es wird oft als "betrunken" gedeutet.
Und ab und an litt die Sprache dann auch schon. Aber meine Mutter hatte man noch sehr lange verstanden, eigentlich die ersten 11 Jahre lang.
Wenn du die Zahlen deiner Schwiegermutter (also die 1,5 Jahre, die sie euch nicht erkannt hat) nimmst, hieße das für deinen Verlobten auch, dass er ab 63 Jahren, 6 Monaten dich nicht mehr erkennt.
Vielleicht beruhigt dich diese Zahl... weil die 63 noch so weiter weg ist als die 40.

Für mich habe ich mir gemerkt: wenn man glücklich ist, zögert es die CH auch heraus. :)

Und zu dem Pflegen: Das Wichtigste für deinen Verlobten ist es, dich zu haben und zwar relativ stark. Wenn du einmal merken solltest, dass es nicht mehr geht, ihn zuhause zu pflegen, dann sucht gemeinsam ein schönes Heim für ihn, wo du ihn dann oft besuchen kannst. CH zu pflegen stelle ich mir enorm schwierig vor, bei meinen Verwandten hatte es auch einmal eine Frau geschafft, ihren Mann bis zum Tod zu pflegen, aber sie war auch Krankenschwester.
Es ist keine Schande, das Pflegen nicht zu meistern. Nimm dir da den Druck weg...

Wahrscheinlich brauchst du erst einmal etwas Ruhe und ich denke, es tät dir auch gut, mit deinem Verlobten offen zu reden. Ihr könnt vieles machen, wie einmal zu einer Huntingtonklinik euch informieren lassen, vielleicht da schon Vorbeugendes zu lernen, etc.
Ich hoffe, andere hier werden dir noch antworten, ich kann nicht viel zum Fachlichen sagen, da ich zu jung war, um alles bei meiner Mutter zu regeln. Dies tat der Betreuer oder mein Vater, oder manchmal ihre Mutter.
Ich weiß nicht, welche Informationsschnippsel dir helfen könnten, die ich weiß, aber ich antworte dir hier gerne, um dir einfach zu zeigen, dass jemand hier da ist, dein Posting gelesen hat, darüber nachgedacht hat und dir ein wenig beistehen mag. :)

Alles Gute & Liebe,
Liebe Grüße,
Aley
wergi
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Registriert: 26.10.2007, 13:32
Wohnort: Oberhausen

Beitrag: # 27839Beitrag wergi »

Hallo Jehane,

tja, das mit der Pflege ist schon so eine Sache.

Ich habe auch gedacht, das ich meine Frau Manu bis zum Ende Pflegen kann.
Aber kann ich doch nicht, denn seit letzten Oktober ist Manu in Itzehoe in einer Wohngruppe für CH Kranke!
Ich habe nicht gedacht, das es so schwer wird diese an CH erkranken Personen zu betreuen oder zu pflegen.
Als ich Manu abgegeben habe war ich ein nervliches Frack!!
Es geht jetzt etwas besser, da ich weis das sie dort sehr gut aufgehoben ist und Ihr dort an nichts fehlt.
Ich weis, das es das beste für Manu ist, aber es ist sehr sehr schwer jemanden nach vielen vielen Jahren zusammen sein abzugeben.


Rainer
Jehane
Beiträge: 13
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Beitrag: # 27845Beitrag Jehane »

Danke euch beiden für eure Antworten und die lieben Worte. Ich hab mich mittlerweile wieder ein bissl beruhigt bzw. versuche ich, mich nicht zu sehr der Panik hinzugeben, weil's eh nix bringt.

Wie es mit CH bei der Mutter meines Verlobten angefangen hat, weiß ich nicht genau, wir haben uns damals noch nicht gekannt, sind erst seit knapp 6 Jahren ein Paar. Ich bin bis vor Kurzem immer davon ausgegangen, dass es bei ihr erst mit Anfang 50 losgegangen ist, mein Verlobter hatte mir das mal so erzählt - vielleicht hat er damit aber auch das Auftreten wirklich heftiger Symptome gemeint, da muss ich ihn fragen. Er meinte, sie seien damals eher zufällig drauf gekommen, weil seine Mutter halt immer wieder Zuckungen hatte und ihr Sachen runtergefallen sind, was ihr anscheinend vorher nicht passiert ist. Sein Bruder (Arzt, damals vermutlich noch in der Ausbildung) meinte irgendwann mal, sie solle sich das anschauen lassen. Bis dahin wusste niemand, dass es CH in der Familie gibt - es war einfach nicht diagnostiziert worden. Die Mutter meiner verstorbenen Schwiegermutter hat sich in den 70er Jahren umgebracht, weil sie an der Krankheit gelitten hat und ihr kein Arzt helfen konnte - der Hausarzt meinte offenbar nur "Nehmen's eine Kopfwehtablette und seien Sie nicht so hysterisch".

Mit der Mutter meines Verlobten konnte man eigentlich lange noch reden... die Sprache hat sie endgültig im Jahr 2010 verloren, glaube ich. Auf äußere Einflüsse wie Berührungen hat sie bis zuletzt reagiert und ich denke, sie hat schon gemerkt, dass sie noch in ihrer gewohnten Umgebung und nicht in einem Krankenhaus ist.

Wie kann eigentlich Glücklich-Sein CH hinauszögern? Weil die Nerven und das Gehirn positive Impulse kriegen? Ich hab mich mal eine Weile mit Gehirntraining befasst und dabei u.a. gelesen, dass z.B. eine Veränderung des Arbeitsweges (andere Route wählen) das Hirn schon stimuliert, im Grunde schafft das angeblich jeder neue Eindruck.

Von der Pflege sind wir zum Glück noch weit entfernt... wenn er sich auch nur annähernd so gut hält wie seine Mutter, dann wird durchgehende Pflege vermutlich erst sehr spät notwendig werden. Als ich seine Mutter vor fast sechs Jahren kennen gelernt habe, war es z.B. nicht notwendig, sie rund um die Uhr zu überwachen. Sie konnte damals, obwohl sich die motorischen Störungen schon sehr stark bemerkbar machten, sogar noch Skifahren - keine großartigen Strecken mehr, aber sie hat's problemlos von der Bergstation bis zur Skihütte geschafft, und das waren doch ein paar Kilometer. Insofern hab ich schon die Hoffnung, dass es meinem Verlobten ähnlich ergehen wird, zumal er neulich befunden hat, es sei an der Zeit, mal wieder ein bissl Sport zu treiben - schadet sicher auch nicht.

Zur Pflege: Da bewundere ich echt jeden, der das daheim schafft, das ist etwas, das nicht jeder kann. Mich ärgert insofern auch immer diese arrogante Haltung vieler Menschen, die meinen "Och, das bisschen Pflege, das schafft doch eh jeder". Ich glaub nicht, dass das so einfach ist, ich hab's an meinem Schwiegervater gesehen, wie sehr ihn die permanente Pflege ausgezehrt hat, speziell in den letzten beiden Jahren. Ich finde, es ist auch keine Schande, zu sagen "Ich kann das nicht mehr" und dann dafür zu sorgen, dass der/die Betreffende in einer entsprechenden Einrichtung gut untergebracht und versorgt wird. Mir kommt nur vor, dass man für sowas gesellschaftlich... hm... fast ein bissl geächtet wird, eben weil ja Pflegen angeblich sooo leicht ist. Wie oft mir schon in diversen Diskussionen untergekommen ist, dass man Patienten "nicht abschiebt", sondern gefälligst daheim betreut... unpackbar. Ich gehe mal davon aus, dass Leute, die sowas sagen, selbst nicht mal ansatzweise betroffen sind.
Dr.Lange
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Beitrag: # 27850Beitrag Dr.Lange »

Jehane hat geschrieben:
Wie kann eigentlich Glücklich-Sein CH hinauszögern? Weil die Nerven und das Gehirn positive Impulse kriegen?
Die HK ist ein klassisches Beispiel dafür, dass nicht nur ein Gen eine Funktion hat, sondern auch dafür, welche Faktoren wichtig sind, wann und wie ein Gen aktiv ist. Am Lebensanfang und -ende sind ganz unterschiedliche Gene aktiv, vorhanden sind sie immer!
Diese Zusammenhänge nennt man Epigenetik - ein hoch aktuelles Forschungsgebiet. Hier kann die Erfrorschung der HK große Beiträge leisten.
Im Rahmen des EHDN wird jetzt erforscht, welche Lebensumstände welchen Einfluss auf das Manifestationsalter haben - ermuntern Sie bitte alle erkrankten Verwandten, sich an der Forschung zu beteiligen. Forschung macht klug - auch Huntington-Kranke (siehe Ergebnisse der HORIZON-Studie im letzten Jahr)!
Dr.Lange
Jehane
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Beitrag: # 27891Beitrag Jehane »

Wenn ich viel, viel Geld hätte, würde ich einen Großteil davon in die Erforschung von CH buttern, echt. Leider sind wir nicht reich, aber wenn's irgendwas gibt, das wir tun können - sofort. Ich erkläre z.B. Freunden, was es mit CH auf sich hat, die meisten wissen gar nicht, dass es die Krankheit überhaupt gibt; ich glaube, dadurch -also indem man andere informiert - kann man auch schon sowas wie Bewusstsein für die Krankheit schaffen. Und die Forschung ist sowieso am Laufen. Voriges Jahr (oder war's 2010?) gab es einen Artikel in der Zeitung, dass Forscher in Salzburg gemeinsam mit amerikanischen Kollegen erstmals eine mögliche Therapie gefunden haben -nur war das Ganze halt noch nicht spruchreif. Aber allein der Umstand, dass in dieser Richtung geforscht wird, ist positiv, und ich persönlich baue stark auf die Forschung und hoffe, dass es in absehbarer Zeit ein Mittel gibt, das die Krankheit zumindest verlangsamen oder stoppen kann. Ähnlich wie bei AIDS-Kranken halt. Die hatten in den 1980er Jahren extrem schlechte Prognosen, da bedeutete die Diagnose HIV das Todesurteil. Und heute leben Menschen mit HIV 20, 30 Jahre, dank des wissenschaftlichen Fortschritts.
Dr.Lange
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" Und die Forschung ist sowieso am Laufen." - Stim

Beitrag: # 27990Beitrag Dr.Lange »

Jehane hat geschrieben:... Und die Forschung ist sowieso am Laufen.
"Wenn ich viel, viel Geld hätte, würde ich einen Großteil davon in die Erforschung von CH buttern, ..."
Zum Glück gibt's in USA einen Milliardär, der in seiner Familie die HK hat und sein ganzes Geld in die Erforschung der HK steckt.

"Und die Forschung ist sowieso am Laufen."
Mit dem Geld wurde erst ein Forschungsnetz in USA und dann in Europa (EHDN) aufgebaut, das ständig neue Rekorde in Sachen HK-Forschung aufstellt, weil sich so viele H-Familien daran beteiligen.

"Voriges Jahr (oder war's 2010?) gab es einen Artikel in der Zeitung, dass Forscher in Salzburg gemeinsam mit amerikanischen Kollegen erstmals eine mögliche Therapie gefunden haben -nur war das Ganze halt noch nicht spruchreif. Aber allein der Umstand, dass in dieser Richtung geforscht wird, ist positiv, und ich persönlich baue stark auf die Forschung und hoffe, dass es in absehbarer Zeit ein Mittel gibt, das die Krankheit zumindest verlangsamen oder stoppen kann."
Das 1. Medikament zum Stoppen der HK wird in Europa erprobt (SIENA-Studie).
Im HD-Buzz kann man sich gut über die laufenden Studie informieren. Melden Sie sich beim nächstgelegenen Huntington-Zentrum (Karte mit Adressen hier: www.euro-hd.net).
Alles Gute!
Dr.Lange
Udo
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Beitrag: # 27991Beitrag Udo »

Ein Bericht über die Siena Studie, von Fachmännern für Laien erklärt.

http://de.hdbuzz.net/68
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
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