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an alle
Verfasst: 12.09.2007, 00:47
von inschepup
Hallo Leute! Ich habe eine total besch..... Woche hinter mir. Letzte Woche meinte der Neurologe das Uwe sich im Spätstadium befindet. War natürlich völlig fertig. Udo konnte mich dann gottseidank wieder aufbauen, ( vielen lieben Dank Udo)Und was passiert heute? Ich bin bei einer Freundin, muss ja auch mal sein, da klingelt mein Handy. Polizei am Apparat!!!

Erst mal fast einen Herzschlag bekommen. Da haben die meinen Mann auf der Straße aufgegriffen. Nur mit Unterhose und Pullover bekleidet. Da er ja nicht mehr richtig sprechen kann, haben sie ihn mitgenommen. Bei uns vor der Haustür konnte er sich dann irgendwie verständlich machen. Unser Hausmeister kam gerade nach Hause und konnte der Polizei erzählen, wo der Mann denn hingehöre. Sie haben ihn dann in die Wohnung gebracht und mich angerufen. Fragten noch ob sie ihn denn jetzt, solange bis ich nach Hause komme alleine lassen können und ob sie ihm eine Hose anziehen sollen. Sie meinten dann noch es würde weiter nichts passieren sie mußten den Vorfall nur aufnehmen. Ich natürlich gleich nach Hause. Weiß langsam nicht mehr weiter.

Ich kann ihn ja schlecht einsperren
Verfasst: 12.09.2007, 12:57
von Justine
Liebe Inschepup,
Ich kann mir gut vorstellen, wie groß der Schock und die Angst gewesen sein muß, als die Polizei dich anrief, doch Du hast recht, Du kannst deinen Mann nicht einsperren.
Es ist fast unmöglich , wenn Du Dich allein um ihn kümmerst, Rund um die Uhr bei ihm zu sein und wenn Du mal weggehst, dann kannst Du ja nicht hinter Dir absperren.
Kann dein Mann noch gut laufen?
In der Zeit als mein Mann noch zuhause lebte habe ich immer wahnsinnige Angst um ihn gehabt,Angst, dass er sich verletzt beim Hinfallen, sich verbrennt (er ist Raucher)oder das Haus abfackelt oder was auch immer.
Es hat bei mir nie aufgehört mit der Anspannung und Angst um ihn. Er hat das Haus aber soweit ich weiß nicht allein verlassen, dafür sind im Haus und Garten viele Unfälle passiert aber er hat zum Glück immer einen riesen großen Schutzengel gehabt.
Jetzt wo ich ihn gut aufgehoben weiß, geht es mir besser. Ich bin viel entspannter und er jetzt auch in unserem Miteinander.
Wie kommt dein Arzt eigentlich darauf, dass dein Mann im Spätstadium ist? Wenn Du nicht öffentlich antworten magst, dann ist das kein Problem.
Ich weiß nicht, wie ich auf so eine Aussage reagieren würde.
Ich weiß, dass die Erkrankung meines Mannes schon ziemlich weit ist, doch der Umgang mit ihm, sein Lächeln, seine Kontaktfreudigkeit , seit er im Pflegeheim lebt, wenn man wirklich immer um ihn rum ist, mit ihm umgeht, dann kann ich natürlich nicht objektiv seinen Zustand beurteilen und freu mich einfach auf jeden Tag mit ihm an dem er fröhlich ist und sich mitteilt.
Unter Spätstadium stell ich mir den Zustand vor, nicht mehr laufen können, gar nicht mehr sprechen, nicht mehr schlucken, total unkontrollierte Bewegungen oder gar keine mehr, je nach CH-Erkrankungstyp.
Es tut mir so leid für Dich und würde Dir so gerne helfen. Ich kann so gut nachempfinden, wie schwer die Situation für Dich sein muß.
LG Justine
Verfasst: 12.09.2007, 15:52
von Udo
Ärzte sind manchmal sehr nüchterne Menschen. Ich weiss noch, das sie bei Kaja mal gesagt hatten, irgendwas mit fortgeschrittenes Stadium.
Wenn man das alles nüchtern sieht, mag das ja relativ stimmen. Aber ich finde so mitteilungen mal so eben nebenbei gesagt nicht gerade einfühlsam. Und dann noch womöglich im Beisein des Betroffenen. Ganz toll dann alles.
Inschepup, Dein Mann Uwe ist einfach krank, wieweit er krank ist kann man nicht so sagen, es gibt z.B. auch die Möglichkeit einer CT Aufnahme des Gehirns, wo man dann medizinisch gesehen den Zustand abschätzen kann. Wieder sehr nüchtern gesagt, nicht. Ich hasse sowas eigentlich.
Aber es sind oft auch gute Verbesserungen des Gesundheitszustandes möglich in einer geschützen und sozial stabilen sowie einfühlsamen Umgebung mit einer gut eingestellten medikamentösen Versorgung.
Puh, so, ich muss wieder zu Kaja,
Was hat der Pfleger mal zu mir gesagt: "Da kommt der Schalldämpfer!"
Kaja hat eine Zeitlang immer so geschrien , und erst aufgehört, wenn ich dann endlich da war. Aber im Moment geht es Ihr wieder sehr gut. Es gibt immer wieder so Phasen, das geht hin und her. Ich sag mal, das Justine da gewiss auch viel Erfahrung hat und einiges gesehen und erlebt hat.
Bis dann
Udo
Verfasst: 12.09.2007, 15:55
von Udo
Justine hat geschrieben:Liebe Inschepup,
Unter Spätstadium stell ich mir den Zustand vor, nicht mehr laufen können, gar nicht mehr sprechen, nicht mehr schlucken, total unkontrollierte Bewegungen oder gar keine mehr, je nach CH-Erkrankungstyp.
LG Justine
So ist das auch. Aber dies ist nicht bei Uwe so.
Udo
Verfasst: 12.09.2007, 16:03
von inschepup
Hallo Justine. Spätstadium, weil er im Moment rapide abnimmt (Stoffwechsel klappt nicht mehr), gar keine Sprache mehr da ist. Die Stürze häufen sich und noch einige andere Dinge. Schlucken geht noch einigermaßen, aber nur wenn ich ihn füttere oder zu trinken gebe. Wenn er es selbst versucht, verschluckt er sich. Ich hatte schon einige Notarzteinsätze. Sorgen mache ich mir eigentlich nur noch Intervall mäßig. Das war bis vor einiger Zeit schlimmer. Wenn mein Mann (oder ein Nachbar) auf der Arbeit angerufen hat, bekam ich immer gleich Panik. Das hat sich im Laufe der Zeit gegeben. Wenn ich mir um alles den Kopf zerbrechen würde, wäre ich wahrscheinlich schon längst am Ende. Das hört sich grausam an. Aber irgendwann stumpft man ab. ich versuche mit meinem Mann so zu leben, als ob er nicht krank wäre. Eigentlich kann man sagen das ich es verdränge. Aber nur so kann ich mich von Tag zu Tag retten. LG inschepup
Verfasst: 12.09.2007, 20:26
von Udo
Hallo inschepup,
Ich glaube, das Du unbedingt etwas unternehmen sölltest, um Dich zu entlasten und Deinem Mann einen Schutz zu geben. Ich kann es mir schon vorstellen, das Du Dinge verdrängst, ich glaube, das dies auch eine Art Selbstschutz ist, den sich jeder irgerndwie aufbaut , da der verlauf der Ch doch auch sehr bedrückend ist, und man auch teilweise irgendwie hilfslos gegenüber der Ch dasteht . Das einzige, was man machen kann, ist es , seinem Angehörigen ein guter Begleiter zu sein, was aber überhaupt nicht geht, wenn man selber mit den Kräften am Ende ist.
Ich sehe das selbst immer an den Wochenenden mit Kaja, das es doch schön ist, aber teilweise auch anstrengend, da ich ja permanent aufpassen muss und in allen Dingen helfen muss. Missen möchte ich dies aber nicht, solange es irgendwie nur geht, denn ich habe auch viel Freude und Spass mit Kaja und Sie mit mir.
Justine hat in diesen Dingen bestimmt auch so einiges mitgemacht und hat darin wohl auch mehr Erfahrung als ich. Ich hatte ja nie mit Kaja zusammengelebt, wo die Chorea schon weiter fortgeschritten war. Also ganz alleine schafft man es auf Dauer bestimmt nicht, jedenfalls nicht , wenn man berufstätig ist, geschweige von der Tatsache, das man dann ja selber nie krank werden dürfte.
Es ist nicht leicht, inschepup, aber es gibt auch viele glückliche Momente. Die solltest Du suchen.
Grüß Dich erst einmal
Udo
Verfasst: 13.09.2007, 09:57
von Justine
Guten Morgen,
Für mich war einer von vielen Punkt stark im Vordergrund, der, dass ich immer hin und her gerissen war. Mein Mann ist mein Mann und nicht mein Kind.
Er ist eine starke eigenständige Persönlichkeit, mit eigenen freien Willen, Gefühlen, Wünschen und mit dem Recht, wie jeder Mensch auf seinen eigenen Freiraum, die Freiheit hinzugehen wann und wohin er will.
Nun war das aber in den letzten 2 Jahren nicht mehr möglich, wie er sich das immer wieder still in seinem Kopf vorgestellt hatte.
Er wollte, doch er konnte nicht. Körperlich nicht und der eigene Antrieb fehlte, obwohl er im Kopf die tollsten Spaziergänge unernohmen hatte. Wenn ich dann von der Arbeit kam, war er kaputt von seinem anstrengenden Tag.
Ich war oft verzweifelt, wenn er mal wieder die tollsten Geschichten erzählte, dachte, jetzt dreht er durch, es hatte lange gedauert bis ich die Akkzeptans hatte mitzuspielen, mit ihm seine Ideen und Wünsche zu erleben statt gegenzuhalten.
Es ist eine schmerzhafte schwere Gradwanderung.Die Persönlichkeit seines kranken Partners oder Familienangehörigen verändert sich, man ist plötzlich für alles verantwortlich, muß den Alltag allein meistern und organisieren und trotzdem den Betroffenen so miteinbeziehen, dass er das Gefühl behält, dass er auch Verantwortung trägt und gebraucht wird wie ein gesunder Mensch.
Es gibt keinen pauschalen Rat, es gibt kein Handbuch. Nicht für uns pflegende Angehörige, nicht für unsere Betroffenen. Ich kann gar nicht beschreiben, wieviele verschiedene Situationen, Gefühlsstürme schon auf mich eingestürzt sind.
Es gibt keinen vorhersehbaren Verlauf. Man muß jede Situation, jeden Tag nehmen, wie er kommt und es kommt auf die eigene Verfassung und Stärke oder Schwäche an, wie man die jeweilige Situation dann beurteilen kann.Das ist meine Erfahrung.
Wie wichtig ist es, dass ein Arzt sagt, wie schlimm der Verlauf oder der momentane Zustand ist, wie weit ein Stadium?
Ich finde es ist egal!!
Ich schaue meinen Mann an und weiß, wie es ihm geht, ob er einen guten oder schlechten Tag hatte. Wenn er mich anruft, höre ich es an seiner Stimme, die Verständlichkeit seiner Sprache läßt mich spüren, wie er sich fühlt. Es ändert also nichts daran, was ein Arzt sagt, wie weit er ist!
Menschen, die uns nicht so nah stehen, die ihn nur ab und an besuchen, sehen und spüren auch nichts oder sind nur völlig bestürzt über den Abbau.
Kleine Schritte in einen guten Tag, positive Schritte können sie gar nicht sehen!
Für uns beide hat sich mit seinem Einzug ins Pflegeheim unsere beider Leben grundlegend geändert, ich hab jetzt viel mehr Kraft und bin viel sensibler für seine Stimmungen. Es hat uns wieder zusammen geschweißt. Und er öffnet sich mir jedesmal aufs neue, wie er seine Krankheit warnimmt, was er fühlt,wenn er bewußt mitbekommt, dass sein Körper ihn im Stich läßt. Ich kann soviel von ihm und auch von den anderen Patienten dort auf der Station lernen, was ich nicht missen möchte.
Der liebe Umgang dort miteinander und wie das Pflegepersonal sich kümmert, das ist schön. Ich bin sehr dankbar!
Leben mit einer Krankheit kann man sich nicht aussuchen, doch die Einstellung dazu entscheidet, wie man damit umgehen kann und man die schwere Phasen übersteht.
Sorry, ich schreib wieder Romane. Doch es bewegt mich immer wieder aufs neue, was wir schon gemeinsam durchgemacht haben und erlebt haben, doch aus einem besonderen Blickwinkel hat es mich auch ungemein reich gemacht.
Nun ist es bei uns vielleicht auch etwas einfacher oder auch nicht, weil wir keine Kinder haben, die betroffen sein könnten, weil mein Mann keine Angehörigen hat bzw. wir kennen seine Halbschwestern nicht, so dass wir nicht weiter mit Chorea Huntington betroffen sein werden und uns nur um ihn zu sorgen haben.
Es gibt nur ihn und für ihn gebe ich alles! Aber ich habe nach einem langen Weg auch gelernt auf mich selbst zu hören und an mich zu denken. Das wäre mir nicht möglich, wenn wir noch zusammen gelebt hätten. Das ist jetzt aber in unserem Fall so. Jede Familie, jede Situation ist anders.
Jeder muß für sich schauen, wie er es schafft ohne dabei zu zerbrechen.
LG Justine
Verfasst: 13.09.2007, 10:09
von Justine
Hey Inschepup,
Mich interessiert, wie seit ihr beiden abgesichert. Hat dein Mann eine Patientenverfügung? Hast Du Vollmachten von ihm um alles in seinem Sinn regeln zu können in allen Bereichen des Lebens. Oder bist Du seine amtliche Betreuerin?
Wie seid ihr diese Seite der Situation angegangen?
LG
Justine
Verfasst: 13.09.2007, 21:46
von inschepup
Hallo Justine! Wir haben vor Jahren eine Vorsorgevollmacht gemacht. Das heißt das ich z.B. irgendwann bestimmen kann, das er in ein Heim kommt. Aber noch ist es nicht so weit. Er will nicht und solange ich das Gefühl habe , es geht noch irgendwie zuhause, passiert dies auch nicht. Ich habe es mit einem Pflegedienst versucht, aber es klappte nicht. wenn er etwas nicht wollte meinte er dann das macht meine Frau. Wir haben es mit allen Tricks versucht aber irgendwann habe ich dann aufgegeben. Ich hab jetzt eine Bekannte die Nachmittags nach ihm schaut und mit ihm spazieren geht . Aber eine rundum die Uhr Betreuung geht natürlich nicht. aber ich will nicht nur jammern. Wir haben auch ganz viele tolle Augenblicke zusammen. Ich denke das wir die Zeit viel intensiver und vor allem "jetzt "geniessen. Wie oft sagt man "das mach ich später" ? Aber wir wissen ja nicht ob es für uns ein später gibt. Also machen wir heute alles was möglich ist. LG inschepup
Verfasst: 14.09.2007, 13:14
von Udo
Kann sein, das ich das schon mal geschrieben habe. Aber ich sage es gerne noch mal. Ich hatte ganz am Anfang ,wo die Diagnose von Kaja feststand, mal mit einer Frau telefoniert, deren Mann auch Chorea hatte. Eigentlich suchte ich Hilfe. Sie sagte mir nicht viel , aber dieser Satz :
"Die letzten Jahre mit meinem Mann waren die schönsten Jahre, die ich mit ihm hatte" fand ich sehr gut und damals auch sehr ergreifend.
Gruß Udo
Verfasst: 14.09.2007, 19:37
von mellie
Hin inschepup. hat dein mann Krankengymnastik und logopädie?rede doch mal mit der/dem neurologen .Mein schwiegervater ist zeitweisse auch viel gestolpert. das lag an den medikamenten.diese wurden reduziert und jetzt geht es wieder.
Verfasst: 14.09.2007, 21:35
von inschepup
Hallo Melli! Uwe bekommt ergo und logopädie , außerdem noch Krankengymnastik. Durch den Muskelabbau soll er so wackelig auf den Beinen sein. aber es ist auch von der Tagesform abhängig. Die letzten Tage ging es einigermaßen. Er hat sich aber auch nur (bis auf Dienstag) in der Wohnung aufgehalten. Und da überwiegend im Bett. Aber Morgen kommt seine Schwester aus Bayern zu Besuch ,da werden wir ihn mal ein bißchen durch Hamburg jagen. Komischerweise ist er dann immer fit. Wobei ich vermute das es ihn ziemlich viel anstrengung kostet. Als wir im letzten Sommer in Bayern waren . wollten wir auf eine Alm hochlaufen. Aufhalber Strecke war ich fix und alle. Auf meine Frage obwir nicht umkehren wollen , weil Uwe ja bestimmt kaputt ist , meinte er doch tatsächlich "Nee ich kann noch. Na toll!! Mußte ich doch tatsächlich auf diese blöde Alm rauf. Also hoffe ich das er jetzt ein bißche auftrieb bekommt. LG inschepup
Verfasst: 14.09.2007, 23:44
von Udo
Es ist sehr gut, die Beinmuskeln zu trainieren, hat Uwe einen Rollator? Damit kann man einigermaßengut gehen, ohne gleich hinzufallen. Und das gehen ist nicht so anstrengend. Sowas kann ein Arzt verschreiben, wobei es auch Rollatoren mit einer Art Rückenlehne gibt. Dies ist vorzuziehen, da es sonst pasieren kann, das man hinten rüber kippt.
Zu den etwas besseren müsste man unter Umständen etwas zuzahlen.
Siehe z.B. auch hier
http://www.testberichte.de/testsieger/l ... _2213.html
Oft stecken ungeahnte Kräfte in dem Betroffenen, wenn man sie weckt. Wenn Kaja Ihre Mutter kommt, was nächste Woche passieren wird, ist sie immer total fit.
Vielleicht bekommt Dein Mann ja wirklich ein bißchen Auftrieb, wenn seine Schwester kommt. Würde mich freuen.
Gruß Udo