Der Anruf von Mama´s Heim und mein Besuch....

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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Flumi1984
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Der Anruf von Mama´s Heim und mein Besuch....

Beitrag: # 22061Beitrag Flumi1984 »

Ich weiß nicht, ob dieser Text jemanden erschrecken könnte, das ist nicht meine Absicht, es ist eben nur die Realität. Donnerstag wurde ich von Mama´s Heim angrufen und mir wurde mitgeteilt, das es sehr kritisch um Mama steht. Es wurde gesagt, das sie zyanotisch sei und das sie einen Pfleger an Mama´s Bett gesetzt haben der Sitzwache macht, damit sie nicht alleine ist. Sie würde unter Panikzuständen leiden und sie schaffen nicht alles abzusaugen, was Mama das atmen so schwer macht. Sie würde 4 Liter Sauerstoff erhalten und bei Bedarf würde Morphium verabreicht werden. Jeder der sich ein bisschen kennt, weiß was Morphium macht, es führt zu Atemdepression bis hin zur Atemlähmung. Dies ist mir aber immer noch lieber, denn durch das Morphium würde sie quazi "high" sein und nicht mehr leiden, auch wenn es für uns so aussieht. Der freund meiner Mum (Erich) und ich sind also hingefahren und sechs Stunden später kamen wir an. Das erste was ich sah, war meine sehr dünne Mum (knappe 30 kg), mit Sauerstoffbrille, die immer wieder versuchte sich von zähem Schleim aus ihren Luftwegen zu befreien, was sie nicht schaffte. Laut Aussage der Schwester ginge es Mama aber wieder etwas besser, aber nicht gut. Wir saßen die ganze Nacht an Mama´s Bett und sie wurde ruhiger. Sie wurde zeitweise wach und versuchte tief Luft zu holen, was sie nicht schaffte und versuchte immer wieder zu husten. Sie war nicht mehr zyanotisch, also bekam sie trotz allem genug Luft. Sie hatte eine ruhige Nacht genauso wie heute. Gestern war die Ärztin da und wir haben mit Mama´s Logopäden, dem Pflegedientsleiter und zwei Pflegern beschlossen, nur noch die Dinge zu tun die Mama gut tun. Nach kurzer Zeit kam eine Schwester mit dem Pflegedienstleiter zurück und uns wurde mitgeteilt, das sie nur noch 3x am Tag zwei Teelöffel angedickte Flüssigkeit oral ernährt und mehr nicht. Es war sehr hart für mich, denn was hat man noch zu erwarten, wenn ein Mensch eigentlich bis zu 4000 kcl am Tag braucht und nun nichts mehr bekommt und das bei nur noch knappen 30 kg. Es wird davon ausgegangen das Mama in der präfinalen Phase ist. Ich bin vorhin wieder nach Hause gekkomen und werde spätestens Dienstagmorgen wieder zu Mama fahren. Erich ist noch da und er hat soagr ein bett in Mama´s Zimmer für sich bekommen, damit er immer bei ihr sein kann. Es ist schwer die Dinge so auszuhalten wie sie sind, aber irgendwann kommt die Zeit, wo einem nichts anderes mehr übrig bleibt, auch wenn es sehr sehr sehr weh tut und ich weinen und schreien könnte. Ich muss das einfach mal los werden, aber keiner will es hören, also habe ich mir gedacht, das ich das hier aufschreibe. Ich werde mich melden, sobald sich was Neues ergibt. Ich warte immer noch auf ein Wunder!!!! (auch wenn ich weiß, das es keins gibt) Ich liebe meine Mum und bin stolz auf sie!!! Sie ist eben eine Kämpferin
Greetz Katrin


Udo
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Beitrag: # 22062Beitrag Udo »

Ohweh, das hört sich ja nicht gut an. :(

die Realität ist leider oft nicht schön.

Und PEG Ernährung war ja nicht? Oder in ein Krankenhaus verlegen für ein paar Tage?

Ich hoffe, es geschieht ein Wunder. Ich drücke die Daumen.

Udo
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Flumi1984
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Beitrag: # 22064Beitrag Flumi1984 »

Nee nee, was soll Mama in einem KH? Helfen kann man ihr da ja auch nicht besser als in dem Heim. Sie wird schon gut betreut. Ich möchte Mama nicht den Stress antun, denn sie bindet sich stark an Menschen und vertraut denen und dann ins KH. Nee. Davon ab würde es Mama wahrscheinlich egal sein, bzw. doch nicht helfen. Ich denke jetzt ist die Zeit los lassen zu lernen und auszuhalten auch wenn es nicht leicht ist. Ich und der Freund meiner Mum ist definitiv gegen eine PEG, denn besser wird es davon nicht. Sie vegetiert dann doch nur noch länger im Bett, was anderes kann man ja mit Mama leider nicht mehr machen, da sie einfach zu schwach geworden ist. Meine Mama soll ein ehrenwürdiges Sterben haben dürfen und sie hat ne PEG ja auch selbst abgelehnt mit den Worten, nein das will ich nicht. Meist ist es doch unser Egoismus, den Menschen nicht gehen lassen zu können. Ich liebe meine Mum und deswegen habe ich mich dafür entschieden, das Mama selbst entscheidet so weit sie es schafft und ansonsten führt das Personal palliativ Medizin durch um Mama es "gut gehen" zu lassen.
Udo
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Beitrag: # 22066Beitrag Udo »

Ja, ich denke, der eigene Wille sollte auch ausgeführt werden. Ich weiss noch, als mein Bruder verstorben ist, das er nie richtig Hilfe wollte, er hat fast bis zum Ende zu Hause gewohnt, und erst die letzten Tage musste er ins Krankenhaus, da er die Schmerzen nicht mehr ertrug. Er bekam dann auch Morphium, und er erkannte mich noch einmal aus dem Leberkoma heraus und sagte als letzten Satz zu mir.: "Hallo Udo, da bist Du ja." Danach schlief er wieder ein. Die Ärztin war eigentlich ganz baff und sagte, das man nie weiss, was ein Mensch noch merkt, und das mein Bruder einen unheimlichen Willen hat. 4 Tage später verstarb er. Als er verstorben war, habe ich die Tür aufgemacht vom Krankenzimmer zum Balkon, damit er "gehen" kann. Wir hatten jahrelang zusammen Musik gemacht. So ist das eben alles.

Ich wünsche Dir und deiner Mutter sowie Ihrem Freund viel Kraft .

Udo
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Udo
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Beitrag: # 22068Beitrag Udo »

http://www.hospizbewegung-muenster.de/i ... 2-2005.pdf

Einige Erzählungen über Verlassen und Abschiednehmen und gehen, über Begleitung und loslassen.
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Inge
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Beitrag: # 22071Beitrag Inge »

Liebe Flumi. Dein Bericht hat mich sehr erschüttert. Aber ich finde es sehr lieb, daß Ihr (Du und der Freund Deiner Mutti) ihren Willen respektiert. Ich kann Dir nur sagen, bei meiner Mutti war es fast genauso, alles was Du beschreibst. Sie ist im April eingeschlafen. Diese kleine Menge an Nahrung wird sie nicht ewig mehr am Leben erhalten. Du weißt das. Wenn es Dir möglich ist, fahr zu ihr und sag ihr alles, was Du noch sagen wolltest. Ich denke, das Unterbewußtsein ist da. Viel viel Kraft....
auch mal an sich denken... und doch stark bleiben
Flumi1984
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Beitrag: # 22072Beitrag Flumi1984 »

Hallo Inge.
Ich war ja von Donnerstag bis Samstag bei ihr. Ich fahre morgen Abend wieder zu ihr und bleibe dann erstmal ne Woche. Nicht nur ihr Unterbewusstsein ist da. Sie schaut mich an und verfolgt mich mit ihrem Blick, das zeigt mir das es nicht nur Zufallsmomente sind in denen sie mich anschaut. Ich habe ihr alles gesagt, was ich ihr sagen möchte, und ab morgen werde ich es ihr jeden Tag aufs Neue sagen.
Udo
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Beitrag: # 22073Beitrag Udo »

Ich denke auch, das da mehr als das Unterbewußtsein ist. Naja, was auch immer. Wer weiss das schon?
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rio
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Beitrag: # 22079Beitrag rio »

und sie hat ne PEG ja auch selbst abgelehnt mit den Worten, nein das will ich nicht.
Das ist dann wohl die Richtung, die es einzuhalten gilt. Selbst, wenn es das Ende (kurzfristig) bedeutet. Aber immerhin hast Du, habt Ihr Gelegenheit Dich/Euch zu verabschieden. Anders als bei einem plötzlich eintretenden Tod.
Ich denke auch, das da mehr als das Unterbewußtsein ist. Naja, was auch immer. Wer weiss das schon?
Mit Sicherheit, zumindest wenn man den technischen Geräten glauben darf und einer Beobachtung, die ich einst machte, als jemand im Koma lag. Bei bestimmten Aktionen (Ansprache, Berühren, etc.) der Besucher zeigte sich eine deutliche Reaktion bei den Meßwerten. Das kann eigentlich kein Zufall gewesen sein.

Wie auch immer, das Loslassen ist mit Sicherheit verdammt schwer. Wüßte nicht, wie ich reagieren würde, wenn es einmal soweit wäre.
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