Hallo Hermann,
Herzlich Willkommen bei uns!
Ich finde es toll, dass Du den Mut finden konntest Dich zu öffnen.
Ich hab lange lange gebraucht um mich zu öffnen, doch glaub mir, es macht es manchmal auf die ein oder anderer Art leichter und in dem man über seine Ängste und Befürchtungen spricht, bekommt man ab und zu auch etwas Abstand von der eigenen Situation.
Hab da zwar oft immer selber noch meine Probleme, doch wenn ich das eine oder andere aufgeschrieben oder ausgesprochen habe, sehe ich vieles klarer.
Meistens schreibe ich, wenn ich hier schreibe immer gleich ganze Romane
Mein Mann hat seit 5 Jahren die Diagnose CH und schon lange Zeit vorher Symptome körperlich und seelisch bzw.Wesensveränderungen gezeigt.
Doch wir wollten nichts merken und wußten auch nichts von seiner leibl.Familie bis kurz vorm Test.
In den letzten Jahren ging es stetig und auch teilweise rapide bergab.
Seit 4 Jahren ist er nun schon zuhause,verläßt meistens nur sehr ungern das Haus, soziale Kontakte hält er von sich aus so gut wie überhaupt nicht mehr, seit letzten Jahr wird er tagsüber von einem Pflegedienst betreut.
Wir sind dieses Jahr 9Jahre zusammen und im Moment stehe ich gerade vor der schwersten Entscheidung meines Lebens unsere gemeinsames Leben aufzugeben, weil es zuhause nicht mehr geht.
Ich habe vor 5 Jahren durch viel lesen und Informationen sammeln, Selbsthilfegruppe und Kontakt zu einer sehr guten Klinik für Chorea Huntington-Patienten wirklich gedacht wir schaffen alles gemeinsam bis zum Ende, doch muß jetzt sagen, man ist nie vorbereitet auf das was man gemeinsam, aber vorallem jeder für sich(Angehöriger und Betroffener) durchmacht. Ich mußte lernen und vorallem akzeptieren, dass mein Partner nicht mehr mein Partner ist, man nach und nach alle Verantwortung und anstehende Entscheidungen alleine treffen muß,aber ganz wichtig,so treffen, dass der Betroffene immer den Eindruck hat er entscheidet mit.
Der Freundes-, Familiekreis wird immer kleiner. Kaum noch einer kommt zu uns.
Jeder Tag dreht sich seit Jahren nur noch um meinen Mann, wie es ihm gerade geht, was ihm tagsüber mal wieder passiert ist(Gott sei Dank, hat er sich bisher noch nie schwer verletzt!!)
Immer wieder Absprachen,was zwecks Therapien für die kommenden Tage organisiert werden muß.
Ich arbeite Vollzeit 5 Tage die Woche, danach dann Essen machen, Hilfestellung beim Essen,Toilettengänge,Körperpflege, Haushalt........ immer die Sorge, wenn ich mal nicht da bin, dass ich ihn leblos in der Wohnung finde. Ich kann gar nicht wiedergeben, was all das in mir selber auslöst.
Ich habe mich selber eine lange Zeit schuldig gefühlt, dass ich gesund bin und habe Essstörungen bekommen, wollte keine Zukunftspläne mehr haben, habe mich schlecht gefühlt, wenn ich mal glückliche Momente auf der Arbeit oder mit Freunden empfunden hab.
Nach 2 Therapie-Versuchen und lieben Freunden, die mich nicht aufgegeben haben, habe ich in einer harten Zeit gelernt, für meinen Mann dazu sein, aber auch eine gewisse Distanz entwickelt zu meinem eigenen Schutz.
Was nicht heißt, dass ich nicht verzweifelt bin.
Es gibt immer noch Tage, wo ich einfach zusammen breche unfähig bin mich mitzuteilen, Hilfe von außen anzunehmen, aber morgens mechanisch aufstehe, den Tag bewältige, abends ins Bett gehe und mich nicht spüren kann.
Die schwerste Frage, die sich jedem von uns als Angehöriger irgendwann stellen wird ist: ist es Verantwortung sich selber bis zum Zusammenbruch aufzugeben um für seinen Partner oder Familienmitglied dazusein oder heißt Verantwortung auch loslassen und abgeben zu können?
In unserem Fall, spüre ich, dass mein Mann merkt wie schlecht es mir oft geht.
Und es gibt seltene Moment in denen er mich anschaut und traurig und leise sagt:Danke, dass Du da bist.
Dann könnte ich nur noch weinen, dass alles ist wie es ist.
Dann plötzlich ist er wieder wie ausgewechselt und es heißt nur noch:ich will, ich kann, ich , ich, ich...
Doch genug jetzt von uns.
Wie sieht denn so Eurer Alltag aus? Magst Du ein bißchen erzählen?
Bekommt Ina jetzt Krankengymnastik, Logophädie oder ähnliches?
Ist sie zuhause oder noch berufstätig?
Wichtig ist natürlich, dass Ihr ein Arzt findet, der einen wirklich begleiten kann, zu dem Ihr Vertrauen haben könnt.
Würde mich sehr freuen wieder von Dir zu hören und keine Angst, sprich ganz offen.
Wenn Du Dich hier etwas einliest, wirst Du feststellen, dass es dann und wann immer mal kracht, doch ich denke, dass ist normal.
Wir sind alle nur Menschen. Jeder von uns ist in einer anderen Lebenssituation, Betroffener oder Angehöriger, fortgeschrittenes Stadium, noch ohne Test und im Ungewissen, ganz am Anfang aber mit Gewissheit, mit ganz vielen verschiedenen Vorstellungen/Einstellungen.
Und es kann immer mal wieder passieren, das sich einer verletzt fühlt, angegriffen oder schmerzlich berührt, hilflos,.....
Wichtig ist nur, dass wir immer wieder aufeinander zugehen können, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist.
Meld Dich, wenn Dir danach ist.
liebe Grüße
Justine
