Risikopatientin und überfordert mit Krankheit d. Mutter

Chorea Huntington, eine Nervenkrankheit (auch schon mal Corea Huntington). Für Betroffene und Angehörige

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marienkäfer
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Risikopatientin und überfordert mit Krankheit d. Mutter

Beitrag: # 23807Beitrag marienkäfer »

Hallo zusammen,

ich bin neu hier und bin froh, dieses Forum gefunden zu haben.
Ich bin 23 Jahre alt,w und gehöre zu den sogenannten "Risikopatienten", was heißt, dass meine Mutter (wie meine Oma, mein Großonkel, meine Großcousine) erkrankt sind.
Nun, diese Krankheit ist so schrecklich, aber zwei Probleme die mich auffressen, wollte ich hier niederschreiben.
Ich finde es unerträglich nicht zu wissen, ob ich erkranken werde oder nicht. Meine ganze Zukunftsplanung ist dahin, es zerreist mich innerlich. Aber ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, zu wissen, dass ich erkranken werde. Das würde mir wohl jeden Lebenswillen nehmen.
Wie geht ihr anderen damit um? Niemand weiß es in meinem Freundeskreis und ich will aauf jeden Fall verhindern, dass es irgendjemand erfährt. Jedenfalls soll es niemand erfahren, der mich kennt.

Naja und das andere große Problem ist meine erkrankte Mutter. Mir war zwar bekannt, dass meine Großmutter vor meiner Geburt an CH gestorben ist, aber ansonsten wurde das Thema totgeschwiegen. Ich lebe mit meiner Mutter alleine, einen Partner hat sie nicht, zu meinem Vater herscht kein Kontakt und zu dem Rest der Familie ein eher oberflächliches Verhältnis, auch weil sie ein Stück weit von uns weg wohnen. Enge Freunde hat meine Mutter wenig, die meisten wohnen ebenfalls weiter weg.
Wie auch immer, dass meine Mutter sich vieles nicht mehr merken konnte und viele Witze etc nicht verstanden hat, ist mir schon seit ca 6-8 Jahren aufgefallen, ich habe es allerdings nie mit der krankheit in Verbindung gebracht, auch weil mich nie jemand darüber aufgeklärt hat.
Aber vor drei Jahren habe ich dieses Zucken an ihrem Mund, ihren Fingern und ihren Zehen entdeckt.
Es traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich habe über das Internet herausgefunden, dass dies die ersten Anzeichen von CH sind.
Ich war völlig hilflos (und bin es noch immer), mittlerweile ist die Krankheit richtig schlimm geworden, meine Mutter hat ihren Job verloren (niemand weiß von der Krankheit) , sie schneidet regelrecht Grimasen, ihre Arme, Beine, Füße etc wackeln unaufhörlich, sie sitzt kaum ruhig da, ist furchtbar dünn geworden, wäscht sich sehr selten, hält sie Wohnung sehr dürftig sauber und geistig ist der Zerfall natürlich auch sehr schlimm.
Ich spreche praktisch kaum noch mit ihr, ich habe resigniert, es macht mich nur wütend, auch wenn ich weiß, dass ich eigentlich nichts dafür kann. Manchmal wenn wir streiten wird sie auch richtig böse, sie hat mich schon an den Haaren gezogen und ins Gesicht geschlagen. Aber wie gesagt, wir reden kaum noch mit eineinander, auch wenn ich wegen meinem Studium bei ihr wohnen muss.

Ich weiß nicht was ich tun soll, ich sehe einfach zu wie meine Mutter zerfällt.
Meine Mutter will nicht wahrhaben, dass sie diese krankheit hat, ich wollte ihr es erst gar nicht sagen, damit sie noch ein paar glücklichere Jahre hat, aber da sie es selbst angesprochen hat, habe ich ihr es (mittlerweile mehrmals) gesagt. Sie wird dann sehr agressiv und bestreitet es mit aller Kraft, sagt dass ich keinen Aufstand machen soll, weil sie als mal "eine Fliege verscheucht" oder "nicht so klug ist wie ich."

Was soll ich tun? Wie lange kann ich noch tatenlos zusehen? Und wenn ich handle...wie?
Bitte helft mir, ich bin so unglaublich überfordert damit.

Viele Dank und liebe Grüße


jps86
Beiträge: 1
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Beitrag: # 23813Beitrag jps86 »

Hallo marienkäfer,
bin schon länger im Forum angemeldet, wusste aber nie etwas zu schreiben.
Ich bin in einer ähnlichen Situation wie du, bin 23 m und auch meine Mutter ist erkrankt, sowie eine Tante und Onkel.

In meiner Familie wollte auch erstmal keiner über die Krankheit reden, obwohl meine Tante schon krank war. Erst als auch andere Geschwister Anzeichen bekamen wurde es zum Thema. Ich weiß seit ca. 4 Jahren genauer bescheit, habe bei meiner Mutter schon früher gemerkt, dass etwas nicht stimmt, wegen extremer Stimmungsschwankungen und sie hatte schon vorher Gleichgewichtsprobleme.

Es hat lange gedauert, doch habe mich eines Tages zwei meiner besten Kumpels anvertraut. Es hat mir sehr geholfen!! nicht mehr das Gefühl zu haben alleine mit dem Problem zu sein und über den DNA-Test diskutieren…einfach mal ihre Meinungen zu hören.
Mittlerweile wissen es auch Nachbarn und Bekannte, weil man es einfach merkt, wenn sie beim Essen 3 mal die Gabel fallen lässt oder bei einer Unterhaltung „wirres Zeug“ redet.

Ich will mich auch noch nicht testen lassen, weil ich auch nicht weiß, ob ich nach einem pos. Ergebnis einfach so weitermachen kann.


Ich hatte früher manchmal das Gefühl, das meine Mutter mich nicht lieb hat, doch um so mehr ich über die HK weiß, desto besser gehe ich damit um. Sie schreit mich zwar wegen jedem mini Problem an oder rastet völlig aus, aber ich weiß das es die scheiß HK ist und nicht sie.

Es tut mir sehr leid, dass du so alleine bist mit deiner Mutter, ich kann dir nur raten hohl dir Hilfe, durch einen (alten) Freund/in oder Bekannten irgendjemanden den deine Mutter vertraut und mag.

Meine Mutter wollte erst auch keine Hilfe(war sehr depressiv) und hat nicht erkannt, dass sie Krank ist. Nach mehreren Gesprächen mit ihrer Schwester und einem schweren Sturz konnte sie überredet werden nach Bochum ins Huntington Zentrum zu gehen.
Seitdem nimmt sie Medis, die ihre Bewegung verbessern. Etwa 3 Monate später hatte sie wesentlich bessere Stimmung und ich habe das Gefühl, dass die CH nicht mehr so schnell vorschreitet. Das hält nun einem Jahr an.

So erstmal genug geschrieben


Liebe Marienkäfer ich wünsche dir viel Kraft und gebt deine mum nicht auf!!

Gruß D.
Udo
Moderator
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Beitrag: # 23815Beitrag Udo »

Hallo, marienkäfer und jps 86.

Willkommen hier im Forum.

Bochum ist auf jeden Fall eine gute Adresse, um sich Hilfe zu holen.

Alleine schafft man dies nicht alles.

Gruß, Udo
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Inge
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Beitrag: # 23818Beitrag Inge »

Hallo Marienkäfer und jps! Es ist wirklich richtig und gut, daß Ihr Euch hier angemeldet habt. Es tut mir sehr leid, daß Ihr die folgenschwere Krankheit Eurer Mütter so jung erleben müßt. Aber mit Gleichgesinnten bzw. mit Menschen, die wissen, wovon Ihr redet zu kommunizieren ist eine wirkliche Hilfe. Ich schreibe nur noch sehr wenig hier, denn meine Mutti ist an CH verstorben (sie wurde 74 Jahre alt), aber ich lese sehr oft und bin erstaunt, daß es doch so viele Familien gibt. Es gibt ein Leben mit CH, glaubt mir, nur "nicht drüber reden und wegschweigen" macht alles nur schlimmer. Alles Liebe Euch und Eurer Familie.
auch mal an sich denken... und doch stark bleiben
Udo
Moderator
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Beitrag: # 23826Beitrag Udo »

Hallo Marienkäfer, wie geht es Dir jetzt ? Hattest Du etwas für Dich erreichen können? Z.b. mit Bochum telefonieren ? In welcher Gegend von Deutschland wohnst Du denn so in etwa? Hier noch mal der Link von Bochum mit einigen Telefonnummern.

http://neurologie.klinikum-bochum.de/be ... /NR5.shtml
Anbei auch die interessante private Homepage von dem Sozialarbeiter der Bochumer Huntingtonstation, Herrn Jürgen Blumenschein.

http://members.dokom.net/blumenschein/

Gruß, Udo
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Reggae- Girl
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Beitrag: # 24180Beitrag Reggae- Girl »

Hallo,

ich bin 23 Jahre und in der gleichen Lage wie du.
Ich habe noch 2 kleinere Geschwister im Alter von 9 und 13 Jahren. Mein Vater ist total überfordert mit der ganzen Situation.

Ich weiß wie du dich fühlst und finde es ist schon ein riesen Schritt sich mit andereren auszutauschen via Forum oder auch mit Freunden.

Ich kann dir nur sagen was ich getan habe, ob es richtig war oder nicht, dass musst du für dich entscheiden, ob du genauso handeln könntest.

Ich habe von der Krankheit in unserer Familie auch erst vor ca. 4 Jahren erfahren. Seit längerem ist mir schon aufgefallen, dass meine Mutter abbaut, körperlich wie psychisch. Nach und nach widmete meine Mutter sich der Hausarbeit immer weniger ebenso wie die Erziehung meiner Geschwister oder ihrer Körperhygiene. Langsam übernahm ich diese Aufgaben, doch ich bin nun mal nicht die Mutter meiner Geschwister. Es fing an, dass die beiden sie nicht mehr respektierten und jetzt eigentlich nicht mehr auf sie hören.
Meine Mutter hat vor 2 Jahre angefangen Wahnvorstellungen zu entwickeln, die sich sehr aggressiv auf mich und meinen Vater auswirkten. Sie griff mich körperlich an, sobald mein Vater aus dem Haus war, schloss ich mich in meinem Zimmer ein, da ich panische Angst vor ihr hatte. Oft war ich so am Weinen, dass ich kaum reden konnte. Mehrmals rief ich meine Oma an und sie musste immer vorbei kommen. Meine Mutter fing an mich zu hassen und sie tut es heute immer noch. Ich bin schließlich erstmal ausgezogen- zu meinem Freund. Das ist nun 1 Jahr her. Zeitweise verstanden wir uns öberflächlich besser, doch nur außerhalb ihres Hauses oder wenn mehrere leute da waren.
Wenn mein Vater arbeiten war, haben meine Geschwister ihre Hausaufgaben nicht gemacht und waren kaum duschen. Das war widerlich. Jeder sagte mir, dass etwas getan werden musste, mir konnte nur leider niemand sagen, was ich tun sollte.
Also beschloss ich im September letzten Jahres einen gesetzlichen Betreuer zu beantragen. Dafür hasst sie mich und meint ich wäre an allem Schuld was ihr zugestoßen ist, dass sie krank ist und das ich sie" verrückt" machen will. Zeitweise hat sie sich wieder beruhigt, doch seit März diesen Jahres bekomme ich täglich 7-8 Terroranrufe. Sie beschimpft mich niveaulos, aggressiv und sagt sehr deutlich, dass sie mich hasst. Ich sage mir immer, dass ich das für sie getan habe, dass es richtig war. Ich würde es auch immer wieder machen, denn das war meine Art ihr zu helfen- ob nun moralisch falsch oder richtig. Ich muss an eine ganze Familie denken- ich habe die ganze Verantwortung dafür.
Udo
Moderator
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Beitrag: # 24189Beitrag Udo »

Hallo Reggae- Girl

Ich denke, Du hast alles richtig gemacht. Das Deine Mutter so reagiert, ist traurig, aber leider ist es manchmal so, und auch wenn es absurd klingt. Sie kann nichts dafür. Was Deinen Mutter womöglich etwas besänftigen würde, wäre eine medikamentöse Therapie. Du findest hier im Forum einige Adressen von Facheinrichtungen, wo Du Dir außer hier im Forum auch Hilfe oder Ratschläge holen kannst.

Daumendrück, Udo :wink:
Abends geht die Sonne unter, morgens geht sie wieder auf !
Reggae- Girl
Beiträge: 8
Registriert: 22.11.2008, 23:36

Beitrag: # 24205Beitrag Reggae- Girl »

Hallo Udo,

lieben Dank für deine Antwort^^

Meine Mutter hat sich letzte Woche testen lassen in Bochum. Allerdings nur aus dem Grund, dass sie gegen den gesetzlichen Betreuer angehen möchte und dafür beweisen muss, dass sie nicht erkrankt ist. Die Ärzte in Bochum haben ihr Medikamente aufgeschrieben, damit sie etwas ruhiger wird und ihr zu einer Therapie geraten. Ebenso haben die Ärzte sie über Treffen mit anderen Betroffenen informiert.
In 3-4 Wochen hat sie das Ergebnis. Wie sie damit umgehen wird weiß ich nicht, aber vielleicht merkt sie dann, dass ich ihr nur helfen möchte. Ich werde sehen.

Lieben Dank und nette Grüße aus dem Sauerland;-)
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